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Hartvigsen, Jan et al.: What low back pain is and why we need to pay attention

Untere Rückenschmerzen (Kreuzschmerzen) sind weltweit ein riesiges Problem und die Hauptursache für Behinderungen. Sie betreffen alle Altersgruppen und treten in Ländern mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen auf. Sie werden (neben körperlichen und geistigen Komorbiditäten[1]) vor allem mit sitzenden Tätigkeiten, Rauchen, Fettleibigkeit und niedrigem sozioökonomischen Status in Verbindung gebracht.[2] Im Jahr 2015 betrug die globale Punktprävalenz[3] von aktivitätsbegrenzenden Kreuzschmerzen 7,3%. Dass bedeutet, dass weltweit etwa 540 Millionen Menschen gleichzeitig davon betroffen waren, wobei die finanziellen Auswirkungen sektorenübergreifend sind, da sie die Kosten sowohl im Gesundheitswesen als auch in den sozialen Unterstützungssystemen erhöhen.

Bei den meisten Menschen mit unteren Rückenschmerzen ist es nicht möglich, eine bestimmte Ursache zu identifizieren[4] und nur bei einem kleinen Teil der betroffenen Menschen findet sich eine gut verstandene pathologische Ursache, wie z.B. ein Wirbelbruch, ein Tumor oder eine Infektion. Gleichwohl sind Rückenschmerzen durch eine Reihe von biophysikalischen, psychologischen und sozialen Dimensionen gekennzeichnet, die die Funktion, die gesellschaftliche Teilhabe und den persönlichen finanziellen Wohlstand beeinträchtigen.

Im Allgemeinen erholen sich Menschen von Episoden mit Rückenschmerzen sehr schnell, ein Rezidiv[5] ist allerdings häufig und bei einem kleinen Teil der Betroffenen verlaufen die Rückenschmerzen chronisch und führen zu einer Behinderung. Eine anfänglich hohe Schmerzintensität, psychische Belastungen und Begleitschmerzen an mehreren Körperstellen erhöhen hier das Risiko. Zugleich gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass zentrale schmerzmodulierende Mechanismen und die Art der Schmerzwahrnehmung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung anhaltender, behindernder Rückenschmerzen spielen.

Die Jahre mit Behinderungen durch Kreuzschmerzen haben zwischen 1990 und 2015 um 54% zugenommen, hauptsächlich aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Alterung, vor allem aber in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs; Low and Middle Income Countries). Durch die zunehmende Überalterung der Weltbevölkerung wird diese Problematik in den kommenden Jahren noch zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Auch das vor allem in den LMIC-Ländern, wo die Ressourcen begrenzt sind und der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung im Allgemeinen schlecht ist. Lebensstiländerungen und zunehmend sitzende Tätigkeiten sind wesentliche Faktoren diese Problematik.

In einer Lancet-Artikelserie, die im März 2018 erschien[6], wird auf diese Thematik schwerpunktmäßig eingegangen, wobei in dem hier zugrundeliegenden Beitrag von Jan Hartvigsen et al. auf die Komplexität der Erkrankung und ihrer Einflussfaktoren hingewiesen wird, wie zum Beispiel psychologische, soziale und biophysikalische Faktoren. Und insbesondere auch auf die Probleme in den LMICs, in denen die Gesundheitssysteme nicht in der Lage sind, mit der wachsenden Belastung durch Rückenschmerzen fertig zu werden.[7]


Was sind untere Rückenschmerzen?

Untere Rückenschmerzen sind ein Symptom und keine Krankheit und können auf verschiedene bekannte oder unbekannte Anomalien oder Krankheiten zurückzuführen sein. Sie werden durch die Lage der Schmerzen definiert, typischerweise zwischen den unteren Rippenrändern und den Gesäßfalten. Häufig werden sie auch von Schmerzen in einem oder beiden Beinen begleitet. Einige Menschen haben zudem neurologische Symptome in den unteren Gliedmaßen.

Bei den meisten Menschen mit Schmerzen im unteren Rückenbereich kann die spezifische Schmerzquelle nicht identifiziert werden und die Betroffenen werden mit „unspezifischen Schmerzen im unteren Rückenbereich“ eingestuft. Es gibt allerdings auch einige schwerwiegende Ursachen für anhaltende Schmerzen im unteren Rückenbereich (wie maligne Tumore[8], Wirbelbruch, Infektion oder entzündliche Erkrankungen wie axiale Spondyloarthritis[9]), die eine Identifizierung und eine gezielte Behandlung der Ursache(n) erfordern, jedoch nur einen sehr geringen Anteil der Fälle ausmachen.

Menschen mit Rückenschmerzen haben oft gleichzeitig Schmerzen an anderen Körperstellen und allgemeinere physische und psychische Gesundheitsprobleme sowie Komorbiditäten, die Einfluss auf die schmerzverarbeitenden Mechanismen haben.


Ursachen

Obwohl klinische Untersuchungen nicht in der Lage sind, die Ursache der meisten Rückenschmerzen exakt zu identifizieren, kann inzwischen nachgewiesen werden, dass mehrere Strukturen daran beteiligt sind und Schmerzen auslösen, wenn sie stimuliert werden. In einigen Fällen lindert ein Lokalanästhetikum die Schmerzen. Viele Auffälligkeiten bildgebender Verfahren (Röntgen, CT und MRT), die bei Menschen mit Schmerzen im unteren Rückenbereich festgestellt werden, sind allerdings auch bei Menschen ohne solche Schmerzen verbreitet, und ihre Bedeutung für die Diagnose ist deshalb umstritten bzw. begrenzt. Dennoch sind zumindest bei Menschen mit unteren Rückenschmerzen unter 50 Jahren einige MRT-Anomalien signifikant häufiger als bei Gleichaltrigen ohne Kreuzschmerzen.[10]

Diese Zusammenhänge reichen jedoch für eine Vorhersage eines zukünftigen Auftretens oder des Verlaufs der Schmerzen nicht aus und medizinische Leitlinien sprechen sich gegen die routinemäßige Anwendung dieser Untersuchungsverfahren aus, weil es bislang keine Belege dafür gibt, dass sie die Behandlung verbessern.[11]


Neurologische Symptome

Radikuläre Schmerzen treten auf, wenn eine Beteiligung der Nervenwurzel vorliegt, was allgemein als Ischias bezeichnet wird.[12] Radikulopathie[13] ist gekennzeichnet durch Schwäche, Gefühlsverlust und/oder Reflexverlust einer bestimmten Nervenwurzel und kann gemeinsam mit radikulären Schmerzen auftreten.

Bandscheibenvorfälle in Verbindung mit lokalen Entzündungen sind die häufigste Ursache für radikuläre Schmerzen und Radikulopathie. Bandscheibenvorfälle sind jedoch auch ein häufiger Befund in der Bildgebung bei Menschen, die nicht unter Kreuzschmerzen leiden, und sie lösen sich oft mit der Zeit auf oder verschwinden unabhängig von der Schmerzauflösung.

Eine lumbale Spinalkanalstenose ist gekennzeichnet durch Schmerzen oder andere Beschwerden beim Gehen oder Stehen, die in ein oder beide Beine ausstrahlen und sich typischerweise durch Ruhe oder Lendenbeugung bessern. Sie wird in der Regel durch eine Verengung des Wirbelkanals oder der Foramina intervertebralia[14] aufgrund einer Kombination von degenerativen Veränderungen wie Facettenarthrose[15], Hypertrophie des Ligamentum flavum[16] und Bandscheibenvorwölbung verursacht.[17] Die Symptome der lumbalen Spinalkanalstenose werden als Folge einer venösen Stauung oder Ischämie[18] der Nervenwurzeln in der Cauda equina[19] durch Kompression angesehen.


Spezifische pathologische Ursachen

Mögliche Ursachen für Rückenschmerzen, die eine spezifische Behandlung erfordern könnten, sind Wirbelbrüche, entzündliche Erkrankungen wie axiale Spondyloarthritis, maligne Tumore, Infektionen und intraabdominelle[20] Ursachen.

Eine Studie mit 1.172 Neuaufnahmen von akuten Episoden[21] von Rückenschmerzen in der Primärversorgung in Australien (2009) fand nur bei 0,9% der betroffenen Personen spezifische Ursachen für die unteren Rückenschmerzen, wobei Frakturen die bei weitem die häufigste Ursache bilden (8 von 11 Fälle), gefolgt von entzündlichen Erkrankungen (2 von 11 Fälle).[22] Ein Bericht aus Uganda über 204 Patienten (2005), die an eine orthopädische Klinik des Krankenhauses mit der primären Beschwerde von Rückenschmerzen verwiesen wurden, wiederum zeigte, dass 4% der Patienten schwere Wirbelsäulenanomalien aufgrund von Tuberkulose, 3-5% Wirbelkompressionsfrakturen, 1% Brucellose[23] und 1% maligne Tumore hatten.[24] Diese Unterschiede in den Mustern der spezifischen pathologischen Ursachen könnten die anhaltende Belastung durch Infektionskrankheiten und ihre Manifestation in Rückenschmerzen in Ländern mit niedrigem Einkommen widerspiegeln.

Sogenannte „red flags“ (Warnhinweise) sind Anamnese und klinische Befunde, von denen angenommen wird, dass sie die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer schweren Erkrankung erhöhen. Allerdings haben 80% der Menschen mit akuten unteren Rückenschmerzen mindestens eine rote Flagge, obwohl weniger als 1% eine schwere Erkrankung aufweisen. Fast alle Warnhinweise, so die Autoren[25], haben deshalb eine nur geringe Aussagekraft hinsichtlich einer schweren Erkrankung und tragen nur zu unnötigen Überweisungen, auch zu bildgebenden Verfahren bei.

Das Vorhandensein klinischer Warnhinweise (sogenannte „red flags“) und insbesondere die Kombination mehrerer „red flags“ erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer spezifischen Ursache für die vorliegenden unteren Rückenschmerzen und sollten deshalb eine radiologische Bildgebung nach sich ziehen. Ein unkomplizierter Kreuzschmerz bei einem ansonsten gesunden Patienten erfordert in der Regel allerdings keine Bildgebung.[26]


Häufigkeit und Verteilung von Rückenschmerzen

Rückenschmerzen sind im ersten Lebensjahrzehnt ungewöhnlich, aber die Prävalenz steigt während der Teenagerjahre stark an; etwa 40% der 9-18-Jährigen in Ländern mit hohem Einkommen, mittlerem Einkommen und niedrigem Einkommen berichten von Rückenschmerzen.[27] Die meisten Erwachsenen haben irgendwann Rückenschmerzen[28], wobei die mittlere Jahres-Prävalenz in der erwachsenen Bevölkerung weltweit etwa 37% beträgt[29] und ihren Höhepunkt in der Mitte des Lebens erreicht. Frauen leiden häufiger als Männer, und untere Rückenbeschwerden, die von Aktivitätseinschränkungen begleitet werden, nehmen mit zunehmendem Alter zu.[30]

Die mittlere Prävalenz in Ländern mit hohem Einkommen (32,9%) ist höher als in Ländern mit mittlerem (25,4%) und niedrigem Einkommen (16,7%). Global gibt es aber keinen Unterschied zwischen ländlichen und städtischen Gebieten. Jackson (2016)[31] sammelte Ergebnisse aus 40 Publikationen, die sich mit der Prävalenz von anhaltenden Rückenschmerzen in 28 Ländern Afrikas, Asiens, des Nahen Ostens und Südamerikas befassen und stellte fest, dass chronische Rückenschmerzen in der Erwerbsbevölkerung 2,5 mal häufiger sind als in nicht erwerbstätigen Bevölkerungsgruppen.

Das Geschlechtermuster in einkommensschwachen und mäßig einkommensstarken Regionen scheint sich auch von dem in einkommensschwachen Ländern zu unterscheiden und sogar zwischen verschiedenen einkommensschwachen Regionen. Beispielsweise berichten in Afrika Männer häufiger von Rückenschmerzen als Frauen in Afrika. Anders in Lateinamerika, was die afrikanische Kultur widerspiegeln könnte, in der Männer oft schwere körperliche Arbeit leisten, sowie geschlechtsspezifische Ungleichheiten, was dazu führen könnte, dass Frauen ihre Rückenschmerzen unterbewerten.

Auswirkungen von Rückenschmerzen

Die Global Burden of Disease(GBD)-Studie 2015[32] erfasst die Auswirkungen von 315 Krankheiten in 195 Ländern und Gebieten zwischen 1990 und 2015.[33] Dabei erwiesen sich untere Rückenschmerzen im Jahr 2015 für 60,1 Millionen Jahre mit Behinderungen/Einschränkungen (YLDs[34]) verantwortlich – ein Anstieg von 54 Prozent seit 1990. Untere Rückenschmerzen sind damit weltweit (und in 14 der 21 in der Studie erfassten Weltregionen) die häufigste Ursache von Behinderungen.

In einkommensstarken Ländern hängt die Behinderung infolge von Rückenschmerzen mit dem sozioökonomischen Status, der Arbeitszufriedenheit und dem Potenzial für einen finanziellen Ausgleich zusammen. Der allgemeine Anstieg der globalen Belastung durch Rückenschmerzen ist fast ausschließlich auf das Bevölkerungswachstum und die Überalterung in allen Ländern zurückzuführen.

Weniger als 28% der häufigen Fälle (151 Millionen YLDs) fielen in die schweren und schwersten Kategorien, jedoch machten diese Fälle 77% aller durch Rückenschmerzen verursachten Behinderungen aus (46,5 Millionen YLDs).[35]


Arbeitsunfähigkeit

Behinderungen aufgrund von Rückenschmerzen sind weltweit am häufigsten in den arbeitsfähigen Altersgruppen, was besonders in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zutrifft, in denen informelle Beschäftigung weit verbreitet und oft vorherrschend ist und Möglichkeiten zur Arbeitsplatzveränderung fast vollständig fehlen.[36] Darüber hinaus gibt es in diesen Ländern auch keine oder nur unzulängliche sozialpolitischen Regelungen, wie z.B. eine Schwerarbeiterregelung.

In den ärmeren Regionen der Welt dürfte eine Behinderung durch Schmerzen im unteren Rückenbedarf und dadurch Aktivitätseinschränkungen wesentlich zum Kreislauf der Armut beitragen.[37] In den einkommensstarken Ländern hingegen sind es weniger Unterschiede in den beruflichen Belastungen oder individuellen Faktoren sondern vor allem die Unterschiede in den Sozialversicherungssystemen, die für die Zahl und die Dauer der Arbeitsausfälle verantwortlich sind.

In Europa sind untere Rückenschmerzen die häufigste Ursache für einen ärztlich verordneten Krankenstand oder Vorruhestand[38], und in den USA sind Rückenschmerzen für mehr verlorene Arbeitstage verantwortlich als jede andere berufsbedingte Beschwerde des Bewegungsapparats (musculoskeletal condition).


Soziale Identität und Ungleichheit

Die Auswirkungen von Rückenschmerzen auf die soziale Identität und auf Ungleichheit sind weltweit erheblich. Ethnographische Interviews von Dorfbewohnern in Botswana zeigen, dass Rückenschmerzen und andere Beschwerden des Bewegungsapparats sowohl wirtschaftliche und existenzielle Folgen haben, als auch zum Verlust von Unabhängigkeit und sozialer Identität führen aufgrund der Unfähigkeit, traditionelle und erwartete soziale Rollen in einer Gesellschaft mit harten Lebensbedingungen zu erfüllen.[39]

Eine Metastudie von Froud et al. (42 Studien aus Ländern mit hohem Einkommen)[40] zeigt auf, dass Menschen, die an unteren Rückenschmerzen leiden, darum kämpfen, ihre sozialen Erwartungen und Verpflichtungen zu erfüllen[41]. Obwohl sie versuchen, ein prämorbides Gesundheitsniveau zu erreichen bzw. zu bewahren, finden viele mit der Zeit, dass dieses Ziel unrealistisch ist und leben fortan mit reduzierten Erwartungen.

Wesentliche Themen, die sich in den Studien finden[42], sind Sorge und Angst vor den sozialen Folgen, Hoffnungslosigkeit, familiäre Belastung, sozialer Rückzug, Verlust des Arbeitsplatzes und Geldmangel, Enttäuschung über Begegnungen im Gesundheitswesen (insbesondere mit AllgemeinmedizinerInnen), Umgang mit dem Schmerz und Selbstmanagementstrategien.

Weltweit tragen Rückenschmerzen zu sozialer Ungleichheit bei. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen können Armut und Ungleichheit zunehmen, da die Teilnahme an der Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird. Darüber hinaus gibt es oft keine formalen Rückkehrsysteme („return-to-work systems“), was den Lebensunterhalt der Familie und die Gemeinschaft noch stärker belastet. Aber auch in Ländern mit hohem Einkommen zeigen sich deutliche Einkommenseinbußen, wie eine australische Studie aufzeigt.[43]


Kosten

Es liegen keine relevanten Studien aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bezüglich der Kosten im Zusammenhang mit Rückenschmerzen vor. In der Regel werden nur die direkten medizinischen Kosten und die indirekten Kosten durch Arbeitsausfall und Produktivitätsverlust einbezogen. Nur wenige Studien allerdings berücksichtigen auch nicht-medizinische Kosten wie z.B. den Transport zu Terminen, Besuche bei Komplementär- und Alternativtherapeuten und andere Hilfen, die nicht vom Gesundheitssystem erfasst werden. Das bedeutet, so die Autoren, dass die Gesamtkosten von Rückenschmerzen unterschätzt werden, und die wirtschaftlichen Auswirkungen vergleichbar sind mit anderen weit verbreiteten, kostenintensiven Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, psychische Beschwerden und Autoimmunerkrankungen.[44]

Schätzungen der direkten medizinischen Kosten stammen aus Ländern mit hohem Einkommen, wobei die USA die höchsten Kosten aufweisen, die auf einen medizinisch intensiveren Ansatz und höhere Operationsraten im Vergleich zu anderen Ländern mit hohem Einkommen zurückzuführen sind. In Großbritannien waren im Jahr 2006 die meisten (jeder siebte) Arztbesuch wegen Beschwerden im Bewegungsapparat auf untere Rückenbeschwerden zurückzuführen.

Menschen mit Beschwerden im unteren Rücken nutzen gerne auch komplementäre und alternative medizinische Ansätze. 44% der US-amerikanischen Bevölkerung nutzten 1997 mindestens eine CAM-Methode, der häufigste Grund waren untere Rückenschmerzen.


Krankheitsverlauf

Schmerzen im unteren Rückenbereich werden zunehmend als langanhaltender Zustand mit variablem Verlauf und nicht als Episoden unzusammenhängender Ereignisse verstanden.[45] Etwa die Hälfte der Menschen, die mit Schmerzen im unteren Rückenbereich in die Primärversorgung kommen, hat einen Verlauf von anhaltenden oder schwankenden Schmerzen geringer Intensität. Einige erholen sich, andere haben anhaltend starke Schmerzen im unteren Rückenbereich.[46]

Eine systematische Übersicht[47] (33 Kohorten; 11.166 Teilnehmer) zeigt starke Evidenz, dass sich die meisten Episoden von Rückenschmerzen innerhalb von sechs Wochen deutlich verbessern und das durchschnittliche Schmerzniveau nach 12 Monaten niedrig ist (6 Punkte auf einer 100-Punkte-Skala). Allerdings berichten zwei Drittel der PatientInnen immer noch über Schmerzen nach drei Monaten. Wiederauftritte von Schmerzen im unteren Rückenbereich sind üblich, aber eine systematische Review aus 2017 (sieben Studien; 1.780 Teilnehmer) zeigt, dass die Forschung keine zuverlässigen Schätzungen des Risikos eines Wiederauftretens von Schmerzen im unteren Rückenbereich liefert. Allerdings gibt es starke Belege dafür, dass etwa 33% der Menschen innerhalb eines Jahres nach der Genesung von einer früheren Episode ein Rezidiv haben.[48]


Risikofaktoren und Auslöser für Rückenschmerzen

Obwohl sich die Auswirkungen von Rückenschmerzen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen von denen in Ländern mit hohem Einkommen unterscheiden, scheint es kaum grundlegende Unterschiede in den Risikofaktoren zwischen den Regionen zu geben. Eine systematische Übersicht (2014: acht Kohorten; 5.165 Teilnehmer[49]) fand Belege dafür, dass Menschen, die frühere Episoden von Rückenschmerzen hatten, ein erhöhtes Risiko für eine neue Episode haben.

Ebenso sind Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen, einschließlich Asthma, Kopfschmerzen und Diabetes, häufiger von Rückenschmerzen betroffen als Menschen mit guter Gesundheit.[50] Und auch Menschen mit schlechter psychischer Gesundheit sind ebenfalls einem erhöhten Risiko ausgesetzt, so zeigt eine britische Kohortenstudie (5.781 Teilnehmer[51]), dass Personen, die im Alter von 23 Jahren eine psychische Belastung hatten, ein erhöhtes Risiko aufwiesen, 10 Jahre später einen Bandscheibenvorfall mit Schmerzen im unteren Rückenbereich zu erleiden.

Das kanadische National Population Health Survey (2005) mit 9.909 Teilnehmern[52] zeigt, dass schmerzfreie Personen mit Depressionen innerhalb von zwei Jahren eher Schmerzen im unteren Rückenbereich entwickeln als Menschen ohne Depression. Mechanismen hinter der Koexistenz von Rückenschmerzen und anderen chronischen Krankheiten sind nicht bekannt, aber systematische Übersichten zeigen, dass Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit und geringe körperliche Aktivität, die alle auf eine schlechtere allgemeine Gesundheit verweisen, auch mit dem Auftreten von Rückenschmerzen oder der Entwicklung von anhaltenden Rückenschmerzen verbunden sind.

Eine systematische Untersuchung (2013: sieben Zwillingsstudien; 35.547 Teilnehmer[53]) zeigt, dass der genetische Einfluss auf Schmerzen im unteren Rückenbereich zwischen 21% und 67% liegt, wobei die genetische Komponente bei chronischen und behindernden Schmerzen im unteren Rückenbereich höher war als bei unbedeutenden Schmerzen.[54]

Eine australische Studie (2015) mit 999 Teilnehmern zeigt, dass ungünstige Körperhaltungen, schwere manuelle Arbeiten, Müdigkeit und/oder Ablenkung während körperlicher Tätigkeit mit einem erhöhten Risiko einer neuen Episode von Rückenschmerzen einhergehen.[55] Nachweisen lässt sich auch der Zusammenhang zwischen einer hohen Arbeitsbelastung und dem Auftreten von unteren Rückenschmerzen.[56] Eine zufriedenstellende kausale Erklärung zwischen diesen Risikofaktoren und dem Auftreten von unteren Rückenschmerzen fehlt jedoch weiterhin.


Multifaktorielle Einflüsse

Seit geraumer Zeit wird das komplexere biopsychosoziale Modell als Rahmen für das Lendenwirbelsäulenschmerzen gegenüber einem rein biomedizinischen Ansatz bevorzugt. Biophysikalische, psychologische, soziale und genetische Faktoren sowie Co-Morbiditäten können zu den Schmerzen beitragen. Es gibt allerdings keine klaren Grenzen zwischen diesen Faktoren, die alle miteinander interagieren, und eine anhaltende Behinderung durch untere Rückenschmerzen ist nicht nur durch die Schmerzrezeptoren bedingt.[57]


Biophysikalische Faktoren

Obwohl die Rolle biophysikalischer Beeinträchtigungen bei der Entstehung von behindernden Kreuzschmerzen nicht vollständig verstanden wird, sind Beeinträchtigungen bei Menschen mit anhaltenden Kreuzschmerzen nachweisbar, beispielsweise Veränderungen in der Muskelgröße, in der Zusammensetzung oder in der Koordination. Diese Veränderungen können mehr als nur eine direkte Folge von Schmerzen sein und werden nur teilweise von psychologischen Faktoren beeinflusst.[58]


Psychologische Faktoren

Psychologische Faktoren werden oft getrennt untersucht, aber es gibt eine erhebliche Überschneidung von Konstrukten wie Depression, Angst, Katastrophenerwartung und Selbstwirksamkeit, d.h. dem Glauben an die Fähigkeit, Ereignisse zu manipulieren, die das eigene Leben beeinflussen. Das Vorhandensein dieser Faktoren bei Menschen mit Rückenschmerzen ist mit einem erhöhten Risiko der Entwicklung einer Behinderung verbunden. So wurden in einer britischen Studie 15% bzw. 28% von Schmerz und Behinderung durch schmerzbedingten Stress erklärt.[59]

Das Modell der Angstvermeidung bei chronischen Schmerzen beschreibt, wie Angst vor Schmerz zur Vermeidung von Aktivitäten und damit zur Behinderung führen, ist gut etabliert und wurde in jüngster Zeit erweitert, um den Einfluss fehlangepasster Lernprozesse und behindernder Überzeugungen auf die Schmerzwahrnehmung und das Verhalten zu erfassen. Den Hintergrund dieser Erweiterung bildet die Annahme, dass die Schmerzwahrnehmung eine größere Rolle bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Behinderungen spielt als der Schmerz selbst.[60]

Eine Überblicksarbeit, die auch 12 Meditationsstudien einschloss, identifizierte Selbstwirksamkeit, psychischen Stress und Angst als vermittelnde Faktoren von Nacken- oder Rückenschmerzen zur Entwicklung von Behinderungen.[61] Die potenzielle Bedeutung der Selbstwirksamkeit wird durch eine systematische Überprüfung (83 Studien; 15.616 Teilnehmer) von chronischen Schmerzzuständen (23 Studien zu Rückenschmerzen) unterstützt, die die Selbstwirksamkeit konsequent mit Beeinträchtigung und Behinderung, affektiver Belastung und Schmerzintensität in Verbindung bringen.[62] Aus diesem Grund haben sich einige chronische Schmerzbehandlungen vom Ziel der direkten Schmerzlinderung zum Ziel der Änderung von Überzeugungen und Verhaltensweisen vrerändert.[63]


Soziale und gesellschaftliche Faktoren

Chronisch behindernde Rückenschmerzen betreffen überproportional Menschen mit niedrigem Einkommen und kurzer Ausbildung. Entsprechend wurde in einer britischen Studie basierend auf dem sozioökonomischen Status von 2.533 Personen mit Schmerzen eine Behinderung im Alter vorhergesagt (unabhängig von komorbiden Zuständen, psychologischen Indikatoren und Body-Mass-Index).[64] Querschnittdaten aus den USA (National Health Interview Survey 2009-10, 5.103 Personen[65]) zeigen, dass Personen mit anhaltenden Rückenschmerzen seltener eine höhere Schulbildung haben und ein jährliches Haushaltseinkommen von weniger als 20.000 USD.

Vermutete Mechanismen für die Wirkung von geringer Bildung auf Rückenschmerzen sind unter anderen Umweltbelastungen und Belastungen durch die erschwerte Lebensführung in niedrigeren Einkommensgruppen, eine geringere Gesundheitskompetenz und eine schlechtere Gesundheitsversorgung.[66] Aber auch in Routine- oder körperlich anstrengenden Berufen tätig zu sein, ist mit einer erhöhten körperlichen Belastung und in der Folge mit einer größeren Wahrscheinlichkeit einer Behinderung durch Rückenschmerzen verbunden.


Zentrale Schmerzverarbeitung und -modulation

Der Reiz der Nozizeptoren[67] wird im gesamten Nervensystem verarbeitet, einschließlich der Modulation im Rückenmark und in den supraspinalen Zentren. Bei chronischen Schmerzen können supraspinale Zentren unterschiedliche Aktivierungsniveaus aufweisen und für die Aktivierung dynamisch rekrutiert werden (oder auch nicht), abhängig vom nozizeptiven Impuls, dem Kontext, der Kognition und der Emotion. Wenn sich einer dieser Faktoren ändert, kann der gleiche nozizeptive Reiz ein anderes zerebrales Muster bei demselben Patienten hervorrufen.[68]

Eine Überblicksarbeit (27 Studien; 1.037 Teilnehmer[69]) identifizierte leichte Hinweise, dass PatientInnen mit chronischen Rückenschmerzen strukturelle Unterschiede im Gehirn in bestimmten kortikalen und subkortikalen Bereichen und eine veränderte funktionelle Konnektivität in schmerzbezogenen Bereichen nach schmerzhafter Stimulation aufweisen.[70]


Multivariable Vorhersagemodelle

Schmerzintensität, psychische Belastung und begleitende Schmerzen im Bein oder an mehreren Körperstellen wurden als Prädiktoren[71] identifiziert. In einer systematischen Übersicht (50 Studien; 33.089 Teilnehmer[72]) betrug die durchschnittliche Varianz 43%, was darauf hindeutet, dass der größte Teil der Varianz auf unbekannte oder nicht gemessene Faktoren zurückzuführen ist.

Einschränkungen

Trotz der Fortschritte des Verständnisses von unteren Rückenschmerzen in vielen Aspekten, einschließlich der Belastung, des Verlaufs, der Risikofaktoren und der Ursachen, gibt es, so die AutorInnen, einige wichtige Einschränkungen. So stammen die meisten Studien aus Ländern mit hohem Einkommen und es ist noch ungeklärt, ob sich ihre Ergebnisse auch auf Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen verallgemeinern lassen. Und trotz der hohen Belastung durch Rückenschmerzen in einkommensschwachen und einkommensschwachen Ländern ist die Forschung in diesen Ländern nicht vorrangig, so dass die „wahren“ Folgen von Rückenschmerzen in diesen Gegenden noch immer weitgehend unbekannt sind.

Obwohl die Forschung bislang viele Faktoren kennt, die mit der Entwicklung von Schmerzen im unteren Rücken wie auch mit der Chronifizierung derselben verbunden sind, weiß man noch wenig von den zugrunde liegenden Mechanismen, die Auswirklungen von nicht übertragbaren Krankheiten eingeschlossen.

Und auch hinsichtlich der Folgeabschätzung sind die wahren Kosten bislang noch nicht umfassend erhoben, da „breitere“ Aspekte des Lebens wie Partizipation, Wohlbefinden, soziale Identität, Pflegebelastung, Nutzung von Gesundheitsressourcen und Kosten für Arbeitsunfähigkeit bislang nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden. In den vorliegenden Kostenstudien wird am häufigsten ein Top-Down-Ansatz verwendet, der unter Umständen nicht alle Kosten aus individueller Sicht erfasst.


Zusammenfassung und Ausblick

Rückenschmerzen sind heute weltweit die häufigste Ursache für Behinderungen. Die Belastung durch Rückenschmerzen nimmt zu, und betrifft insbesondere in einkommensschwachen und mäßig einkommensstarken Ländern die bereits überlasteten Gesundheits- und Sozialsysteme. Schmerzen im unteren Rückenbereich sind in der arbeitenden Bevölkerung am häufigsten und haben hier die weitreichendsten Folgen. Bei älteren Menschen sind Schmerzen im unteren Rückenbereich mit einer erhöhten Bewegungseinschränkung verbunden.

Die meisten Fälle von Rückenschmerzen sind kurzlebig und eine spezifische (nozizeptive) Ursache kann nicht identifiziert werden. Rezidive sind jedoch häufig und einige Betroffene enden mit anhaltenden Schmerzen, die durch eine Reihe von biophysikalischen, psychologischen und sozialen Faktoren beeinflusst werden. Die Kosten im Zusammenhang mit Gesundheitsfürsorge und Arbeitsunfähigkeit, die auf Rückenschmerzen zurückzuführen sind, sind enorm, variieren aber von Land zu Land erheblich und hängen mit sozialen Normen, Gesundheitsvorsorgeansätzen und Gesetzen zusammen.

Obwohl es mehrere weltweite Initiativen gibt, um die globale Belastung durch Rückenschmerzen als ein Problem der öffentlichen Gesundheit anzugehen, ist es notwendig, so die AutorInnen, kosteneffiziente und kontextspezifische Strategien für die Behandlung von Rückenschmerzen zu entwickeln, um die Folgen der gegenwärtigen und zukünftigen Belastung abzumildern.

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[1] Unter Komorbidität („Begleiterkrankung“) versteht man ein weiteres, diagnostisch abgrenzbares Krankheitsbild oder Syndrom, das zusätzlich zu einer Grunderkrankung vorliegt.

[2] Jan Hartvigsen, Mark J Hancock, Alice Kongsted, Quinette Louw, Manuela L Ferreira, Stéphane Genevay, Damian Hoy, Jaro Karppinen, Glenn Pransky,  Joachim Sieper, Rob J Smeets, Martin Underwood: What low back pain is and why we need to pay attention. The Lancet, 21.3.2018. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30480-X. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)30480-X/fulltext.

[3] Als Prävalenz bezeichnet man die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dabei unterscheidet man die Periodenprävalenz (die Prävalenz in einem bestimmten Zeitraum, z.B. 1 Jahr, oder die Lebenszeitprävalenz bezogen auf die gesamte Lebenszeit) und die Punktprävalenz (Prävalenz zu einem bestimmten Zeitpunkt, z.B. an einem bestimmten Stichtag).

[4] Man spricht deshalb von unspezifischen Rückenschmerzen.

[5] Ein Rezidiv ist das Wiederauftreten („Rückfall“) einer Krankheit bzw. von deren Symptomen.

[6] Jan Hartvigsen, Mark J Hancock, Alice Kongsted, Quinette Louw, Manuela L Ferreira, Stéphane Genevay, Damian Hoy, Jaro Karppinen, Glenn Pransky, Joachim Sieper, Rob J Smeets, Martin Underwood: What low back pain is and why we need to pay attention. The Lancet, 21.3.2018. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30480-X. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)30480-X/fulltext.

Rachelle Buchbinder, Maurits van Tulder, Prof Birgitta Öberg, Lucíola Menezes Costa, Anthony Woolf, Mark Schoene, Peter Croft: Low back pain: a call for action. The Lancet, 21.3.2018. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30488-4. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)30488-4/fulltext.  

Stephanie Clark, Richard Horton: Low back pain: a major global challenge. The Lancet, 21.3.2018. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30725-6. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)30725-6/fulltext.

Nadine E Foster, Johannes R Anema, Dan Cherkin, Roger Chou, Steven P Cohen, Douglas P Gross, Paulo H Ferreira, Julie M Fritz, Bart W Koes, Wilco Peul, Prof Judith A Turner, Chris G Maher: Prevention and treatment of low back pain: evidence, challenges, and promising directions. The Lancet, 21.3.2018. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30489-6. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)30489-6/fulltext.

[7] Im Beitrag von Nadine Foster et al. skizzieren die AutorInnen Empfehlungen für die Behandlung und weisen dabei auf das Problem hin, dass es nur wenig Studien zur Prävention von Kreuzschmerzen gibt. Die erforschten Zusammenhänge stammen fast ausschließlich aus Ländern mit hohem Einkommen, und es ist nicht bekannt, ob Richtlinien, die auf diesen Grundlagen basieren, für LMIC-Länder geeignet sind. Sie schlagen deshalb alternative Lösungen für „unangemessene“ Behandlungen vor, wie z.B. die Verwendung von Opioiden, weisen dabei aber darauf hin, dass die Studienlage für eine solche Empfehlung nicht wirklich ausreichend ist.

Der Beitrag von Buchbinder et al. ist ein Aufruf zum Handeln. Die AutorInnen argumentieren, dass das Fortbestehen einer Behinderung im Zusammenhang mit Rückenschmerzen anerkannt werden muss und nicht von sozialen und wirtschaftlichen Faktoren sowie persönlichen und kulturellen Überzeugungen über untere Rückenschmerzen getrennt werden kann. Sie fordern globale Organisationen wie die WHO auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die zunehmenden und kostspieligen Auswirkungen von Rückenschmerzen zu verringern. Eine große Herausforderung wird ihrer Ansicht nach darin bestehen, die Anwendung schädlicher Praktiken zu unterbinden und gleichzeitig den Zugang zu einer wirksamen und erschwinglichen Gesundheitsversorgung für Menschen mit Rückenschmerzen zu gewährleisten.

[8] Bösartige Tumore, die unkontrolliert wachsen, sich der Wachstumskontrolle entziehen und unbegrenzt teilungsfähig sind.

[9] Die axiale Spondyloarthritis ist eine chronische Autoimmunkrankheit, welche hauptsächlich das axiale Skelett (Lenden- und Brustwirbelsäule, sowie die Kreuz-Darmbeingelenke) betrifft. Die bekannteste Form dieser Erkrankung ist die Spondylitis ankylosans, Morbus Bechterew.

[10] Relativ starke Zusammenhänge von MRT-Befunden mit unteren Rückenbeschwerden zeigten Modic Typ 1-Veränderungen (Entzündungen mit Knochenmarködem, aber ohne Trabekelveränderungen), Bandscheibenwölbungen, Bandscheibenvorfälle und Spondylolyse (Bildung eines Spalts in der Pars interarticularis eines Wirbelbogens, d.h. dem Bereich zwischen dem oberem und unteren Gelenkfortsatz des Wirbelbogens): Brinjikji W, Diehn FE, Jarvik JG, et al.: MRI Findings of disc degeneration are more prevalent in adults with low back pain than in asymptomatic controls: a systematic review and meta-analysis. Am J Neuroradio 2015; 36: 2394-99.

[11] Wong JJ, Cote P, Sutton DA, et al.: Clinical practice guidelines for the noninvasive management of low back pain: A systematic review by the Ontario Protocol for Traffic Injury Management (OPTIMa) Collaboration. Eur J Pain 2016; 21: 201-16.

Stochkendahl MJ, Kjaer P, Hartvigsen J, et al.: National clinical guidelines for non-surgical treatment of patients with recent onset low back pain or lumbar radiculopathy. Eur Spine J 2018; 27: 60-75.

Bernstein IA, Malik Q, Carville S, Ward S. Low back pain and sciatica: summary of NICE guidance. BMJ 2017; 356: i6748.

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[12] Die Diagnose von radikulären Schmerzen beruht auf klinischen Befunden, einschließlich einer Vorgeschichte von dermatomalen Beinschmerzen, Beinschmerzen, die schlimmer sind als Rückenschmerzen, Verschlechterung von Beinschmerzen beim Husten, Niesen oder Zerren und geradem Beinheben.

[13] Eine Radikulopathie ist die chronische oder akute Reizung oder Schädigung einer Nervenwurzel mit dadurch ausgelösten Empfindungsstörungen, Schmerzen oder Lähmungen. Sind mehrere Nervenwurzeln betroffen spricht man von einer Polyradikulopathie.

[14] Die Foramina intervertebralia („Zwischenwirbellöcher“) sind paarige Öffnungen des Wirbelkanals, die jeweils von zwei benachbarten Wirbeln gebildet werden.

[15] Die Facettenarthrose ist eine degenerative Erkrankung der Wirbelsäule, ähnlich der Arthritis, wobei knöcherne Erweiterungen (Osteophyten, Knochensporne) wachsen und die Facettengelenke vergrößern.

[16] Größenwachstum des Ligamentum flavum („gelbes Band“), ein jeweils zwischen zwei Wirbeln gelegenes, die Wirbelsäule stabilisierendes Band.

[17] Die Diagnose des klinischen Syndroms der lumbalen Spinalkanalstenose erfordert sowohl das Vorliegen charakteristischer Symptome als auch die bildgebende Bestätigung einer Verengung des lumbalen Spinalkanals oder der Foramina.

[18] Eine Ischämie ist eine oft mit Schmerzen verbundene Minderdurchblutung oder ein vollständiger Durchblutungsausfall eines Gewebes, eines Körperteils oder Organs, der zu einer Funktionsstörung führen kann.

[19] Die Cauda equina ist eine Ansammlung intradural (innerhalb der Dura mater, der äußersten Hirnhaut) verlaufender Spinalnervenwurzeln am Ende des Rückenmarks.

[20] Innerhalb des Bauchraums gelegen.

[21] Dauer weniger als zwei Wochen.

[22] Henschke N, Maher CG, Refshauge KM, et al.: Prevalence of and screening for serious spinal pathology in patients presenting to primary care settings with acute low back pain. Arthritis Rheum 2009; 60: 3072-80.

[23] Brucellose ist eine Infektionskrankheit, die durch gramnegative, aerobe Stäbchenbakterien der Gattung Brucella verursacht werden.

[24] Galukande M, Muwazi S, Mugisa DB: Aetiology of low back pain in Mulago Hospital, Uganda. Afr Health Sci 2005; 5: 164-67.

[25] Jan Hartvigsen et al.: What low back pain is and why we need to pay attention. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30480-X.

[26] Behandelnde Ärzte sollten dabei aber im Auge behalten, ob das klinische Gesamtbild eine ernsthafte Ursache für die Schmerzen sein könnte. In den USA gibt es die Leitlinien-Empfehlung, bei (auch schwachen) Risikofaktoren für Krebs oder axialer Spondyloarthritis bildgebende Verfahren erst nach Therapiebeginn (wenn noch nötig) einzusetzen.

[27] Calvo-Munoz I, Gomez-Conesa A, Sanchez-Meca J: Prevalence of low back pain in children and adolescents: a meta-analysis. BMC Pediatrics 2013; 13: 14.

Louw QA, Morris LD, Grimmer-Somers K: The prevalence of low back pain in Africa: a systematic review. BMC Musculoskelet Disord 2007; 8: 105.

[28] Lemeunier N, Leboeuf-Yde C, Gagey O: The natural course of low back pain: a systematic critical literature review. Chiropract Man Ther 2012; 20: 33.

[29] Das bedeutet, dass innerhalb eines Jahres weltweit 37% der erwachsenen Menschen zumindest einmal an unteren Rückenschmerzen leiden.

[30] Hoy D, March L, Brooks P, et al.: The global burden of low back pain: estimates from the Global Burden of Disease 2010 study. Ann Rheum Dis 2014; 73: 968-74.

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[32] http://www.healthdata.org/gbd.

[33] Global Burden of Disease 2015 DALYs and HALE Collaborators. Global, regional, and national disability-adjusted life-years (DALYs) for 315 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE), 1990-2015: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet 2016; 388: 1603-58.

[34] Years lived with disability (YLD).

[35] Global Burden of Disease 2015 DALYs and HALE Collaborators. Global, regional, and national disability-adjusted life years (DALYs) for 306 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE) for 188 countries, 1990-2013: quantifying the epidemiological transition. Lancet 2015; 386: 2145-91.

[36] Informelle Beschäftigung bezeichnet unterschiedliche Formen der (Selbst-) Beschäftigung oder des Wirtschaftens, die von der gesetzlich geregelten Normalform und den in der jeweiligen Wirtschaftsordnung vorherrschenden Standards abweichen. Dazu gehören beispielswiese Schwarzarbeit, Subsistenzarbeiten (Bedarfswirtschaft, deren Produktionsziel weitestgehend die Selbstversorgung ist; auch Erträge aus Jagen und Sammeln) und prekäre Arbeit (Arbeitsplätze mit geringer Einkommenssicherheit z.B. in Hinblick auf Arbeitsplatzsicherheit, niedrigem Lohn der für eine Existenzsicherung nicht ausreicht, mangelnder Kündigungsschutz, fehlende oder geringe sozialrechtliche Absicherung, fehlende Interessensvertretung).

[37] So hat beispielsweise eine Umfrage unter 500 Landwirten im ländlichen Nigeria ergeben, dass Rückenschmerzen für mehr als 50 Prozent der Reduzierungen der landwirtschaftlichen Arbeit verantwortlich sind.

[38] Allerdings zeigen sich in Europa doch auch große Unterschiede. In Norwegen und Schweden zum Beispiel waren im Jahr 2000 die Krankenstandquoten bei Menschen mit Rückenschmerzen ähnlich (5,1% bzw. 6,4%), die Zahl der längerfristigen Krankenstände aber doch sehr unterschiedlich (22% bzw. 15%).

[39] Hondras, M, Hartvigsen, J, Myburgh, C, and Johannessen, H: Everyday burden of musculoskeletal conditions among villagers in rural Botswana: a focused ethnography. J Rehabil Med. 2016; 48: 449-455.

[40] Froud, R, Patterson, S, Eldridge, S et al.: A systematic review and meta-synthesis of the impact of low back pain on people’s lives. BMC Musculoskelet Disord. 2014; 15: 50.

[41] Mit der Gefahr, dass damit die Glaubwürdigkeit ihres Leidens und ihre Behinderten-/Krankenansprüche gefährdet sind.

[42] MacNeela, P, Doyle, C, O’Gorman, D, Ruane, N, and McGuire, BE: Experiences of chronic low back pain: a meta-ethnography of qualitative research. Health Psychol Rev. 2015; 9: 63-8.

[43] Schofield, D, Kelly, S, Shrestha, R, Callander, E, Passey, M, und Percival, R: The impact of back problems on retirement wealth. Pain. 2012; 153: 203-210: Personen, die aufgrund von unteren Rückenschmerzen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, weisen im Alter von 65 Jahren deutlich weniger Wohlstand auf.

[44] Einige der beobachteten Schwankungen der Kosten für Rückenschmerzen im Laufe der Zeit könnten durch Änderungen der Behindertengesetzgebung und der Gesundheitspraxis erklärt werden.

[45] Dunn KM, Hestbaek L, Cassidy JD: Low back pain across the life course. Best Pract Res Clin Rheum 2013; 27: 591-600.

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[54] Eine genetische epidemiologische Analyse von 15.328 dänischen Zwillingen (44% eineiig und 56% zweieiig) aus 2009 deutet auf einen hohen genetischen Einfluss bei Wirbelsäulenerkrankungen hin (Hartvigsen J, Nielsen J, Kyvik KO, et al.: Heritability of spinal pain and consequences of spinal pain: a comprehensive genetic epidemiologic analysis using a population-based sample of 15,328 twins ages 20–71 years. Arthritis Rheum 2009; 61: 1343-51).

[55] Steffens D, Ferreira ML, Latimer J, et al.: What triggers an episode of acute low back pain? A case-crossover study. Arthritis Care Res 2015; 67: 403-10.

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[57] Obwohl es wesentlich weniger Daten aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen als aus Ländern mit hohem Einkommen gibt, deuten die verfügbaren Daten darauf hin, dass multifaktorielle Beiträge in allen Ländern wichtig zu sein scheinen.

[58] Dubois JD, Abboud J, St-Pierre C, Piche M, Descarreaux M: Neuromuscular adaptations predict functional disability independently of clinical pain and psychological factors in patients with chronic non-specific low back pain. J Electromyogra Kinesiol 2014; 24: 550-57.

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[66] Der Umstand der schlechten Gesundheitsversorgung in einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten kommt in den USA auf Grund der unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme beispielsweise deutlich stärker zu tragen als in Europa; siehe Dionne CE, Von Korff M, Koepsell TD, Deyo RA, Barlow WE, Checkoway :. Formal education and back pain: a review. J Epidemiol Community Health 2001; 55: 455-68.

[67] Die Nozizeption (Schmerzwahrnehmung) ist die Wahrnehmung von Reizen, die den Körper potenziell oder tatsächlich schädigen. Diese Reize werden von Nozizeptoren registriert und über afferente Schmerzfasern ins Gehirn geleitet. Die Sinnesempfindung „Schmerz” entsteht erst durch die Verarbeitung im Kortex.

[68] Roussel NA, Nijs J, Meeus M, Mylius V, Fayt C, Oostendorp R: Central sensitization and altered central pain processing in chronic low back pain: fact or myth? Clin J Pain 2013; 29: 625-38.

[69] Kregel J, Meeus M, Malfliet A, et al.: Structural and functional brain abnormalities in chronic low back pain: A systematic review. Semin Arthritis Rheum 2015; 45: 229-37.

[70] Die klinische Bedeutung dieser Ergebnisse ist allerdings noch nicht geklärt.

[71] Ein Prädiktor ist eine Vorhersagevariable, d.h. ein Wert, der eine Vorhersage über ein bestimmtes Ereignis, wie das Eintreten einer Erkrankung, ermöglicht.

[72] Kent PM, Keating JL: Can we predict poor recovery from recent-onset nonspecific low back pain? A systematic review. Man Ther 2008; 13: 12-28