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Erdogmus, Celal B.: Physiotherapy-Based Rehabilitation Following Disc Herniation Operation

In der Studie „Physiotherapy-Based Rehabilitation Following Disc Herniation Operation. Results of a Randomized Clinical Trial”[1] von Celal B. Erdogmus et al.[2] werden zwei Versuchs- und eine Kontrollgruppe zur Überprüfung der Wirksamkeit der physiotherapeutischen Rehabilitation ab einer Woche nach einer Bandscheibenoperation miteinander verglichen.

Hintergrund

Das Lumbalradikuläre Syndrom (LRS) beruht auf einem lumbalen Bandscheibenvorfall und ist durch die Ausstrahlung von Schmerzen in das Gesäß oder die Beine charakterisiert, die von einem oder mehreren Spinalnervenwurzeln der Lendenwirbel oder des Kreuzbeins versorgt werden. Damit verbunden sind auch neurologische Defizite, die aus dem Druck auf die Nervenwurzel resultieren.

Das Lumbalradikuläre Syndrom hat einen großen Einfluss auf die Inanspruchnahme und die Kosten des Gesundheitswesens. In den Niederlanden beispielsweise (16 Millionen Einwohner) beliefen sich die jährlichen Kosten Mitte der 90er-Jahre für die direkte und indirekte medizinische Versorgung von Bandscheibenvorfällen auf 1,6 Milliarden US-Dollar. Und in Großbritannien verursacht das eine Prozent aller PatientInnen mit Rückenschmerzen, die sich einer Operation unterziehen, etwa 30 Prozent der Gesamtkosten für die Gesundheitsversorgung bei Wirbelsäulenerkrankungen aus. Die Schätzungen der Häufigkeit (Inzidenz) von lumbalen Bandscheibenvorfällen reichen von 25 bis 40 Operationen pro 100.000 Einwohner in Europa und bis zu 70 in den Vereinigten Staaten.

Bis zu 60 % der PatientInnen mit Bandscheibenvorfällen klagen über belastende postoperative Symptome nach einer ersten Operation. Diese niedrigen postoperativen Erfolgsraten hängen der Literatur zufolge mit den Auswahlkriterien für die Operation, den angewandten Techniken und der Heterogenität der angebotenen postoperativen Rehabilitationsprogramme zusammen.

In vielen westlichen Ländern werden postoperativ üblicherweise physiotherapeutische Rehabilitationsprogramme empfohlen, die darauf abzielen, die Zeit der postoperativen Genesung zu verkürzen. Dennoch gibt es überraschend wenig Nachweise zur Wirksamkeit postoperativer Rehabilitationsprogramme für Bandscheibenvorfälle, und die wenigen vorhandenen randomisierten kontrollierten Studien sind von unbefriedigender Qualität und heterogen im Hinblick auf den Beginn der postoperativen Therapie. Ihre Ergebnisse scheinen widersprüchlich, und nur zwei kleine Studien haben die Auswirkungen der physiotherapeutischen postoperativen Rehabilitation mit einem postoperativen natürlichen Verlauf bzw. „Minimalintervention” verglichen.

Die vorliegende Studie wurde konzipiert, um die Wirksamkeit eines physiotherapeutischen Rehabilitationsprogramms zu untersuchen, das eine Woche nach der Operation des lumbalen Bandscheibenvorfalls beginnt. Darüber hinaus sollten die Beiträge spezifischer Effekte zum beobachteten Ergebnis (Wirksamkeit) abgeschätzt werden.

StudienteilnehmerInnen

Die StudienteilnehmerInnen an der Universitätsklinik Wien, die sich einer ersten unkomplizierten Bandscheibenoperation[3] bei einem lumbalen Bandscheibenvorfall unterzogen hatten, wurden von der neurochirurgischen Abteilung an die Ambulanz der Abteilung für Physikalische Medizin & Rehabilitation überwiesen.[4]

Insgesamt wurden 120 PatientInnen in die Studie aufgenommen, von denen 111 (92,5%) bis zum Ende teilnahmen. Alle neun Abbrüche erfogten kurz nach der ersten Behandlung. Im Vergleich zeigten die StudienabbrecherInnen in ihren Merkmalen keine Unterschiede zu denen, die bis zum Ende dabei blieben. 99 PatientInnen (82,5%) nahmen auch an der Nachbeobachtung nach 1,5 Jahren teil.

Die Charakteristika der PatientInnen zu Studienbeginn und zur mittleren Nachbeobachtungszeit waren (mit Ausnahme des Körpergewichts) zwischen den Gruppen vergleichbar.

Versuchs- und Kontrollgruppen

Die PatientInnen wurden zufällig zu einer der drei Gruppen, zwei Versuchsgruppen und eine Kontrollgruppe, zugeteilt.

Physiotherapie-Gruppe: Die PatientInnen der Physiotherapiegruppe erhielten 20 Behandlungen über 12 Wochen im Rahmen eines physiotherapeutischen Rehabilitationsprogramms mit individuellen Anweisungen der betreuenden ÄrztIn, die einmal wöchentlich mit jeder PatientIn den Therapieverlauf besprach. Jede PatientIn wurde von einer PhysiotherapeutIn ausschließlich nach schriftlicher Vorschrift behandelt, wobei jede Behandlung 30 Minuten dauerte.

In den ersten Wochen nach der Operation führten die PatientInnen mit ihren PhysiotherapeutInnen isometrische Kräftigungsübungen für die Rücken- und Hüftstreckmuskulatur und die Bauchmuskulatur sowie Dehnungsübungen für verkürzte Muskeln durch. Von Anfang an wurden auch Themen wie richtiges Sitzen, Stehen oder Heben sowie Hindernisparcoursimulationen der häuslichen Umgebung und Ergonomie-Schulungen einbezogen. Im späteren Verlauf des Programms wurde der Schwerpunkt auf die Verbesserung der allgemeinen Beweglichkeit der Wirbelsäule gelegt.

In der Spätphase wurden zusätzlich zur Wiederherstellung des physiologischen Bewegungsmusters Übungen begonnen, die darauf abzielten, die Muskelkoordination und die automatische Muskelreaktionszeit zu verbessern. Den PatientInnen wurde geraten, Ausdauerübungen zu Hause durchzuführen. Nun waren die ergonomischen Anweisungen arbeitsplatzbezogen, um die Wiedereingliederung der ProbandInnen am Arbeitsplatz zu erleichterten und dazu beizutragen, arbeits- und freizeitbedingte Verletzungen zu vermeiden. Die PatientInnen wurden angewiesen, sich an einem Heimtrainingsprogramm zu beteiligen und wurden von ihren PhysiotherapeutInnen zur regelmäßigen Heimübung ermutigt.

Scheinbehandlungs-Gruppe (Sham Treatment): MassagespezialistInnen der Abteilung für Physikalische Medizin & Rehabilitation verabreichten den PatientInnen ebenfalls über 12 Wochen insgesamt 20 Sitzungen einer „Schein-Nackenmassage” von jeweils 30 Minuten. Die PatientInnen lagen dabei in Rückenlage auf einer Massageliege, ihr Kopf auf den Knien der TherapeutIn. Weitere Therapien wurden nicht angeboten.

Kontrollgruppe: Es wurde keine Therapie angeboten, vielmehr wurden die PatientInnen gebeten, die ersten drei Monate nach der Operation abzuwarten.

Co-Interventionen[5]

Postoperativ, vor der Rekrutierung erhielten alle PatientInnen eine minimale physiotherapeutische „Intervention”, um die TeilnehmerInnen hinsichtlich früherer physiotherapeutischer Erfahrungen zu homogenisieren und mögliche Enttäuschungen von PatientInnen zu minimieren, die keine Therapie erhielten (Anleitungen zur Ergonomie, Änderungen des Lebensstils und isometrische Übungen zur Rückenstreckung).

Alle PatientInnen wurden ermutigt, nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zweimal täglich weiter zu trainieren und sie erhielten eine Informationsbroschüre, die sich mit den Ursachen des Bandscheibenvorfalls, Operationstechniken, postoperativen Prognosen und vorgeschlagenen Aktivitäten zur Förderung der Genesung und zur Verhinderung von Rückfällen befasste.

Alle PatientInnen wurden gebeten, sich zusätzlich zu ihrer Studienintervention auf „On-Demand-Analgetika”[6] zur Schmerzlinderung zu beschränken.

Ergebnis-Messungen

Die primären und sekundären Ergebnis-Messungen wurden zu Beginn, sechs bzw. zwölf Wochen danach und beim 1,5-jährigen Follow-up-Besuch bewertet.

Die primäre Ergebnisgröße waren Bewertungs-Änderungen auf der Low Back Pain Rating Scale (LBP-RS).[7]

Zu den sekundären Ergebnis-Messungen gehörten Bewertungen

  • der Gesamtzufriedenheit der PatientInnen mit dem Behandlungsergebnis auf einer 5-Punkte-Likert-Skala (1 ,vollständig erholt, bis 5, dramatisch schlechter als bei der Ausgangssituation),
  • die Einhaltung des Rückentrainings zu Hause,
  • sozioökonomische Parameter[8] und
  • psychologische Parameter.[9]

Ergebnisse

Am Ende der Behandlungen, nach 12 Wochen, war der LBP-RS-Summenscore der physiotherapeutisch behandelten PatientInnen signifikant besser als der der unbehandelten PatientInnen. Es gab aber keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den physiotherapeutisch behandelten PatientInnen und den TeilnehmerInnen in der scheinbehandelten Gruppe. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den scheinbehandelten und der „keine Therapie”-Gruppe. PatientInnen mit Scheintherapie verbesserten sich jedoch tendenziell stärker als unbehandelte PatientInnen.

Die gruppeninternen Analysen zeigten signifikante Verbesserungen der LBP-RS-Summenwerte in allen drei Gruppen zu allen Zeitpunkten im Vergleich zum Ausgangswert. In der Zwischengruppenanalyse nach 6 Wochen und im 1,5-Jahres-Follow-up zeigten sowohl die mit Physiotherapie als auch die mit einer Sham-Massage behandelten PatientInnen die Tendenz, sich stärker zu verbessern als die PatientInnen ohne Therapie. Die Unterschiede erreichten aber nicht das Signifikanzniveau. Auch die Unterschiede zwischen der Physiotherapie- und der scheinbehandelten Gruppe waren nicht signifikant.

Am Ende der Therapie war der LBP-RS-Summenwert bei 12 Physiotherapien, 11 Scheintherapien und 10 unbehandelten PatientInnen wieder normal (13 Punkte). Bei der 1,5-jährigen Nachbeobachtung lagen die entsprechenden Werte bei 14, 16 und 13. Die jeweiligen Unterschiede zwischen den physiotherapeutisch behandelten und unbehandelten Gruppen waren zu keinem Zeitpunkt signifikant.

Der durchschnittliche Verbrauch von Schmerzmitteln während der Behandlung war gering. Insgesamt 8 unbehandelte (22,9%), 9 scheinbehandelte (23,7%) und 10 physiotherapeutisch behandelte (24,2%) PatientInnen nahmen in den ersten sechs Wochen der Intervention gelegentlich nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente ein. In den folgenden sechs Wochen der Intervention lagen die entsprechenden Werte bei 9 (24,7%), 8 (21,6%) und 7 (18,4%).

Sekundäre Ergebnisparameter

Die PatientInnenbewertungen der allgemeinen Besserung (5-Punkte-Likert-Skala) unterschieden sich zu keinem Zeitpunkt zwischen den Gruppen.

In den ersten drei Monaten nach der Operation führten 56 PatientInnen (50,5%) regelmäßig Übungen zu Hause durch, entweder wie in einer Broschüre empfohlen, die alle Patienten vor der Randomisierung erhalten hatten, oder durch die PhysiotherapeutIn. Weitere 40 (36%) Patienten führten in unregelmäßigen Abständen Übungen durch. 1,5 Jahre später führten 25 PatientInnen (25,3%) noch immer regelmäßig Hausübungen durch und weitere 33 PatientInnen (33,3%) in unregelmäßigen Abständen. Zu keinem Zeitpunkt unterschied sich die Zahl der durchgeführten Übungen zwischen den Gruppen signifikant, ebenso nicht die Zeit, die den Übungen gewidmet war.

Innerhalb der 1,5-jährigen Nachbeobachtungszeit kehrten mehr als 4 von 5 PatientInnen an die Arbeit zurück oder nahmen ihre normalen täglichen Aktivitäten wieder auf, 4 ProbandInnen hatten eine Umschulung erhalten (1 unbehandelte, 2 Schein- und 1 Physiotherapiebehandelte).

Während der 1,5-jährigen Nachbeobachtungszeit erhielten 33 von 99 PatientInnen eine zusätzliche Therapie wegen postoperativer Beschwerden (10 unbehandelte, 11 scheinbehandelte und 12 physiotherapeutisch behandelte PatientInnen). Die Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich des Bedarfs an zusätzlichen Interventionen.

Die psychologischen Variablen des STAI und des Giessen-Inventars blieben sowohl am Ende der Therapie (nur STAI) als auch bei der 1,5-jährigen Nachbeobachtung unverändert. Es gab keinen Unterschied zwischen den Gruppen.

Diskussion

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, so die Autoren, handelte es sich (ihrem Kenntnisstand zufolge) um die erste rigoros randomisierte klinische Studie, in der die Wirksamkeit physiotherapeutischer Rehabilitation nach einer Rückenoperation mit gleichzeitiger Betrachtung der Wirkungsweise geprüft wurde. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass die physiotherapeutische Rehabilitation (nach akuten, erstmaligen Bandscheibenvorfällen), die eine Woche nach der Operation beginnt, zu einer stärkeren Verbesserung führt als keine (kurzfristige) Therapie. Die Ergebnisse von zwei zuvor veröffentlichten, weniger rigorosen randomisierten Studien wurden damit bestätigt.[10]

Diese positiven Gesamteffekte der Physiotherapie waren jedoch ähnlich denen der postoperativen Scheintherapie (Sham-Massage-Behandlung des Nackens), was darauf hindeutet, dass die Wirkungsweise der Physiotherapie möglicherweise primär unspezifisch ist. Tatsächlich scheinen zwei frühere Studien, in denen keine relative Wirksamkeit der postoperativen physiotherapeutischen Rehabilitation beobachtet werden konnte, dies zu bestätigen.[11]

Studien, in denen Rehabilitationseingriffe den Kontrollinterventionen überlegen waren[12], könnten die Nackenmassage als Scheinintervention in Frage stellen. Sie könnte über neuropsychophysiologische Pfade indirekte Auswirkungen auf die postoperative Genesung haben.[13]

Sowohl das Einfühlungsvermögen der TherapeutInnen als auch die mechanische Manipulation können Ängste reduzieren, den Geist entspannen und die Belastung reduzieren.[14] Diese Faktoren wurden vorgeschlagen, um die Wahrnehmung von Rückenschmerzen und motorischer Leistungsfähigkeit zu beeinflussen.[15] Allerdings blieben in der vorliegenden Studie die Angstzustände, die depressive Stimmung und die Persönlichkeitsprofile der PatientInnen von den beobachteten Interventionen unberührt, was solche Mechanismen unwahrscheinlich macht.

Die meisten Studien, in denen festgestellt wurde, welche Rehabilitationseingriffe den Kontrollinterventionen überlegen waren, sind wahrscheinlich aus mehreren Gründen nicht gut mit der vorliegenden Studie vergleichbar:

  • die Interventionen begannen nur wenige Wochen nach der Operation,
  • postoperative Beschwerden einige Wochen nach der Operation waren ein Einschlusskriterium, und
  • PatientInnen mit akuten sowie mit chronischen präoperativen Symptomen waren eingeschlossen, wohingegen die vorliegende Studie nur PatientInnen mit akuten und subakuten präoperativen Symptomen einschloss.

Der Anteil der PatientInnen, die ihre Übungen regelmäßig oder unregelmäßig durchgeführt haben, lag innerhalb der ersten 12 Wochen bei über 85% und damit entweder so hoch oder deutlich höher als in der Literatur berichtet. Da KontrollpatientInnen ihre Hausübungen so häufig durchführten wie die physiotherapeutisch behandelten PatientInnen, könnte man argumentieren, dass die minimale physiotherapeutische Intervention, die vor der PatientInnenrekrutierung durchgeführt wurde, eine Wirkung hatte durch den die in der Physiotherapiegruppe beobachteten Behandlungseffekte im Vergleich zu den beiden Kontrollgruppen reduziert wurden.

Alle PatientInnen erhielten eine oder zwei Physiotherapiesitzungen, beginnend am zweiten Tag nach der Operation und ein Heft mit vier isometrischen Rücken- und Bauchstärkungsübungen, die sie zu Hause ohne Probleme durchführen können. Diese vier Übungen reichten allerdings wahrscheinlich nicht aus, um alle bei PatientInnen nach einer Lenden-Diskektomie beobachteten Funktionsstörungen adäquat anzusprechen und zu trainieren.

Im Gegensatz dazu waren die physiotherapeutisch geleiteten Heimübungen individuell zugeschnitten, facettenreich und an den Behandlungsfortschritt der PatientInnen angepasst. Darüber hinaus überwachten PhysiotherapeutInnen nicht nur die korrekte Durchführung dieser Übungen, sondern förderten auch die Einhaltung der Hausübungen in jeder Behandlungssitzung. Im Unterschied dazu wurden die KontrollpatientInnen angewiesen, ihre Übungen nur zu Beginn und bei den Nachuntersuchungen durchzuführen.

Die so erreichten qualitativen Unterschiede zwischen den Heimtrainingsprogrammen deuten darauf hin, dass die Heimübungen, die von den TeilnehmerInnen der Kontrollgruppe durchgeführt wurden, wohl kaum der Grund von Verzerrungen waren (und die Behandlungseffekte der Physiotherapiegruppe relativ zu den beiden Kontrollgruppen minimierten).

Die Beobachtung einer klinisch relevanten, statistisch aber nicht signifikanten, stärkeren Verbesserung der LBP-RS bei pseudobehandelten im Vergleich zu unbehandelten PatientInnen scheint die schon in anderen Arbeiten aufgezeigte Wirkung von Placebo-Interventionen auf Parameter wie Schmerz zu bestätigen – und damit die Bedeutung sowohl der Persönlichkeit der TherapeutIn als auch der PatientIn-TherapeutIn-Beziehung für die Behandlungswirkung.

Unabhängig von der Art der postoperativen Versorgung berichteten ca. 40% der PatientInnen über häufige oder dauerhafte postoperative Beschwerden in der Nachbeobachtung nach 1,5 Jahren.[16]

Es gibt hartnäckige Bedenken hinsichtlich einer Wiederverletzung oder Instabilität bei aktiven Rehabilitations- und Präventionsprogrammen oder Empfehlungen zur frühzeitigen Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Bandscheibenoperation. Die Komplikationsrate in der vorliegenden Studie allerdings war gering und entspricht damit auch den Ergebnissen einer kurz zuvor durchgeführten Metaanalyse, die keinen Hinweis darauf fand, dass PatientInnen ihre Aktivitäten nach einer Bandscheibenoperation einschränken müssen.[17]

Die meisten PatientInnen dieser Studie konnten sich wieder in das Arbeitsleben integrieren, entweder angestellt oder selbständig. Die Rückkehr in den Beruf war zwischen den drei Gruppen am Ende der Intervention vergleichbar, wobei mehr als 80% der Befragten wieder in den Beruf zurückkehrten oder, wenn sie im Ruhestand oder arbeitslos waren, in der Lage waren, gewöhnliche Tätigkeiten des täglichen Lebens auszuüben.[18]

Einschränkungen

Eine Einschränkung der vorliegenden Studie ist, dass die Bandscheibenvorfälle nicht intraoperatiiv beurteilt wurden. Diese Beurteilung könnte, so eine kurz zuvor durchgeführte Studie, mehr Vorhersagekraft aufweisen als demographische, sozioökonomische oder klinische Merkmale.[19]

Nach 12 Wochen, so zeigte sich, waren ca. 60% der ProbandInnen wieder arbeitsfähig, unabhängig von der Intervention, die sie erhalten hatten. Von den restlichen 40% der Patienten schienen deutlich mehr PatientInnen aus der Physiotherapie-Gruppe innerhalb des restlichen Beobachtungszeitraums von 1,5 Jahren wieder an die Arbeit zurückzukehren. Dieser beobachtete Unterschied, der bei der Stichprobengröße der vorliegenden Arbeit statistisch nicht belegt ist, könnte mittel- und langfristig die Rehabilitation begünstigen. In einer zukünftigen Studie wäre jedoch zu klären, ob es sich lohnen würde, allen Diskotomie-Patienten eine physiotherapeutische Rehabilitation anzubieten.

Weder PatientInnen noch PhysiotherapeutInnen waren verblindet. Eine Verblindung der PatientInnen war nicht möglich, da sie umfassend über die Ziele und die Art der Studie informiert waren. Die Verblindung der klinischen PrüferInnen wäre leicht erfolglos geblieben, da eine intensive Kommunikation zwischen den beurteilenden PhysiotherapeutInnen und den PatientInnen zu erwarten war. Die PatientInnenbeurteilungen wurden daher von angehenden PhysiotherapeutInnen durchgeführt, die die Ziele der Studie nicht kannten. Sie wurden von StudienärztInnen, die stille Beobachter waren, beaufsichtigt. Vor einer Beurteilung wurden die PatientInnen angewiesen, den klinischen UntersucherInnen keine Informationen über die Behandlungszuordnung zu geben.

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[1] Spine (Phila Pa 1976). 2007 Sep 1;32(19):2041-9, https://journals.lww.com/spinejournal/Abstract/2007/09010/Physiotherapy_Based_Rehabilitation_Following_Disc.3.aspx (Zugriff 01.02.2018).

[2] Celal B. Erdogmus, MD, Karl-Ludwig Resch, MD, Ronald Sabitzer, MD,Horst Müller, PhD,Martin Nuhr, MD, Andreas Schöggl, MD, Martin Posch, PhD, Wolf Osterode, MD, Karl Ungersböck, MD, und Gerold R. Ebenbichler, MD.

[3] Standard-Laminektomie und entweder Diskotomie oder Mikrodiskotomie bei einer präoperativen Anamnese von weniger als 6 Monaten.

[4] Weitere Ausschlusskriterien waren lokale Komplikationen im Operationsgebiet (wie z.B. Diskitis, lokale septische Entzündung, etc.), postoperative Muskelschwäche in den Beinen (über Kraftgrad 2/5), ein Gesamtergebnis auf der LBP-Ratingskala von über 100 Punkten, orthopädische Zustände wie Spinalkanalstenose oder Spondylolisthesis, chronische Schmerzerkrankungen des Bewegungsapparates, definierte neurologische Erkrankungen oder psychiatrische Störungen.

[5] Co-Intervention bedeutet die Anwendung von zusätzlichen diagnostischen und/oder therapeutischen Interventionen in einer randomisierten kontrollierten Studie.

[6] D.h. die Einnahme von Schmerzmitteln nur im Bedarfsfall.

[7] Die LBP-RS wurde als umfassendes Beurteilungsinstrument entwickelt und entspricht dem ICF prior ICIDH-2 Konzept für Patienten mit LBP (Low Back Pain) mit Bandscheibenvorfall. Sie misst Schmerz, Behinderung und körperliche Beeinträchtigung. Ihre Werte reichen von 130 (schlechtester Wert) bis 0 (bester Wert; d.h. Schmerzfreiheit, die PatientIn kann alle Aktivitäten ihres täglichen Lebens ausführen, benötigt keine Medikamente und ist in ihren körperlichen Funktionen uneingeschränkt).

[8] Die sozioökonomischen Parameter wurden bei einer 1,5-jährigen Nachbeobachtungszeit bewertet und umfassten die verstrichene Zeit für die Rückkehr zur Arbeit oder (bei Ruhestand oder Arbeitslosigkeit) für gewöhnliche Tätigkeiten, die Rückkehr zum vorherigen Arbeitsplatz oder die Umschulung auf einen anderen Arbeitsplatz oder in den Ruhestand aufgrund von Rückenproblemen sowie die Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen und die Art der Behandlung von postoperativen Rückenschmerzen und Ischias.

[9] Der State Trait Anxiety Inventory (STAI) wurde zu Studienbeginn, nach drei Monaten und nach 1,5 Jahren zur Beurteilung der aktuellen Verfassung und des Vorliegens von Angst verwendet, der Giessen-Test zur Beurteilung der Persönlichkeit (Baseline, Follow-up).

[10] Yilmaz F, Yilmaz A, Merdol F, et al. Efficacy of dynamic lumbar stabilization exercise in lumbar microdiscectomy. J Rehabil Med 2003;35:163–7.

Filiz M, Cakmak A, Ozcan E. The effectiveness of exercise programmes after lumbar disc surgery: a randomized controlled study. Clin Rehabil 2005;19: 4–11.

[11] Kitteringham C. The effect of straight leg raise exercise after lumbar decompression surgery. Physiotherapy 1996;82:115–23.

Kjellby-Wendt G, Styf J. Early active training after lumbar discectomy: a prospective, randomized, and controlled study. Spine 1998;23:2345–51.

[12] Danielsen JM, Johnsen R, Kibsgaard SK, et al. Early aggressive exercise for postoperative rehabilitation after discectomy. Spine 2000;25:1015–20.

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Manniche C, Skall HF, Braendholt L, et al. Clinical trial of postoperative dynamic back exercises after first lumbar diskectomy. Spine 1993;18:92–7.

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[13] Walach H, Guthlin C, Konig M. Efficacy of massage therapy in chronic pain: a pragmatic randomized trial. J Altern Complement Med 2003;9:837–46.

[14] Ernst E. Massage treatment for back pain. BMJ 2003 15;326:562–3.

Moyer CA, Rounds J, Hannum JW. A meta-analysis of massage therapy research. Psychol Bull 2004;130:3–18.

[15] Manniche C, Asmussen K, Lauritsen B, et al. Low Back Pain Rating scale: validation of a tool for assessment of low back pain. Pain 1994;57:317–26.

Hodges PW, Moseley GL. Pain and motor control of the lumbopelvic region: effect and possible mechanisms. J Electromyogr Kinesiol 2003;13:361–70.

[16] Auch in anderen Arbeiten wurden ähnliche Prozentsätze festgestellt. Und obwohl verschiedene physische und psychosoziale Ansätze vorgeschlagen wurden, um eine umfassende biopsychosoziale Rehabilitation zu erreichen, bleiben die Mechanismen der Generierung und Aufrechterhaltung postoperativer Rückenbeschwerden bislang spekulativ.

[17] Ostelo RW, de Vet HC, Waddell G, et al. Rehabilitation following first-time lumbar disc surgery: a systematic review within the framework of the Cochrane collaboration. Spine 2003;28:209–18.

[18] Eine weitere Verkürzung der krankheitsbedingten Fehlzeiten wäre vielleicht noch möglich gewesen, obwohl alle Patienten zu einer frühzeitigen Rückkehr ins Berufsleben ermutigt wurden (vgl. Donceel P, Bu Bois M, Lahaye D. Return to work after surgery for lumbar disk herniation: a rehabilitation-oriented approach in insurance medicine. Spine 1999;24:872–6).

[19] Carragee EJ, Han MY, Suen PW, et al. Clinical outcomes after lumbar discectomy for sciatica: the effects of fragment type and anular competence. J Bone Joint Surg Am 2003;85:102–8.