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Ist Heilmassage eine wirksame Maßnahme oder nur eine Ergänzung der Aktivbehandlung? (Podiumsdiskussion am 24.01.2018)

Es war eine gute und spannende Diskussion, die von Mag. Dr. Sonia Raviola MSc am 24. Jänner moderiert wurde. Dieser Umstand war nicht nur dem Thema geschuldet, sondern auch den hochkarätigen Teilnehmer*innen, deren Schwerpunkte nachfolgend zusammengefasst sind, Chronologie und Wechselwirkungen vernachlässigend.

Diskutant*innen

Die Diskutant*innen (von links nach rechts): Dr. Ingrid Wilbacher, Univ-Prof. Dr. Gerold Ebenbichler, LIM Petra Felber, Mag. Gabriele Wieser-Fuchs, Prim. Prof. Dr. Andrea Zauner-Dungl, Constance Schlegl MPH, Hon. Prof. Dr. Rupp MBA, Romana Schöberl, Mag. Dr. Sonia Raviola MSc)

Nach der Begrüßung durch Landesinnungsmeisterin Petra Felber und der Vorstellung der Diskutant*innen durch die Moderatorin Mag. Dr. Sonia Raviola MSc eröffnet Frau Prim. Prof. Dr. Zauner-Dungl (Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Universitätsklinikum Krems) die Diskussionsrunde damit, dass sie aus ihrer nunmehr 30jährigen Tätigkeit als Fachärztin für physikalische Medizin wie auch aus ihrer persönlichen Geschichte die Stärken und Schwächen von Massage und Physiotherapie gut kennt.

Mit der Massage, die mit verschiedenen Techniken auf Haut, Bindegewebe, Faszien, Gelenke, Muskulatur und Organe wirkt, ergibt sich ein breites Wirk- und Indikationspektrum. Aber auch die Physiotherapie bietet eine Fülle von Konzepten und Ansätzen, so dass sie froh ist, beide Zugänge gezielt einsetzen zu können. Übereinstimmend mit Herrn Dr. Ebenbichler erachtet sie es als notwendig, das breite Repertoire verschiedener Maßnahmen zur Verfügung zu haben und nicht nur eine vorgegebene Kombination. Manchmal ist es notwendig, Menschen akut medizinisch zu behandeln, die nicht sofort mit einer Bewegungstherapie versorgt werden können, manchmal ist auch beides notwendig, weshalb es für sie als Ärztin wichtig ist, dass sie in ihren Verordnungen frei entscheiden kann.

Sie verstehe zwar, wenn man, wie die SGKK argumentiert, in 99% nur Kombinationen oder ausschließlich aktive Physiotherapie hat, dazu neigt, ein sehr einfaches System aufzusetzen, doch sollte dabei beachtet werden, dass dieses Bedürfnis nicht der differenzierten Auseinandersetzung der Ärzt*innen widerspricht. Es sollte, wie auch Dr. Rupp ausgeführt, das breitere Spektrum im Auge behalten und eine vernünftige Gesamtstrategie zum Wohle der Patient*innen entwickelt werden. Denn diejenigen, die es sich leisten können, bekommen, was sie möchten. Leidtragende sind die, die es sich nicht leisten können.

In der Massage gibt es allerdings große Unterschiede, denn ein*eine Masseur*in befasst sich in seiner*ihrer Ausbildung zum*zur medizinischen bzw. Heilmasseur*in 410 bzw. 620 Stunden mit Massage im Unterricht – das Praktikum kommt noch zusätzlich dazu. Demgegenüber werden der Massage in der Physiotherapieausbildung etwa 60 bis 80 Stunden gewidmet.

In ihrem eigenen Haus arbeiten 25 Physiotherapeut*innen und 6 Masseur*innen, die Zusammenarbeit klappt exzellent. In Salzburg scheint ihr die Situation allerdings verzerrt, wenn die Verfügbarkeit von Massage in Frage gestellt wird, weil sie nicht (viel) in Anspruch genommen wird. Bei ihr im Spital gibt es Verordnungen, die keine Physiotherapie beinhalten und physiotherapeutische Verordnungen, die keine andere Maßnahme beinhalten. Diese Vielfalt ist gut, weil sie den Patient*innen nützt.

In den 90er-Jahren gab es eine Initiative, in der es darum ging, dass Lymphdrainage nur von Physiotherapeut*innen gemacht werden dürfe. Das wurde glücklicherweise gestoppt, weil es dadurch zu einer massiven Minderversorgung gekommen ist. Zwar haben Physiotherapeut*innen Lymphdrainage in ihrem Ausbildungsspektrum, ihre Primärorientierung ist aber oft eine andere als (vorrangig) Lymphdrainagen zu machen. Die Masseur*innen hingegen machen das gerne und deshalb war es gut, dass man davon wieder abging.

Es sei ihr nicht verständlich, warum der gesetzlich definierte Gesundheitsberuf Heilmassage „ausradiert“ werden soll, denn darauf führe das „Salzburger Modell“ letztlich hin. Ihr Wunsch für die Veranstaltung ist, dass die beiden Berufsgruppen einander Wertschätzung entgegenbringen und kein Zweifel besteht, dass Massage wie Physiotherapie ihre Berechtigung haben und beide zielführend zu verordnen sind.

Danach ist das Wort bei Frau Dr. Ingrid Wilbacher (Hauptverband der Sozialversicherungsträger), die als Expertin für Evidence Based Medicine-Recherchen die „Makrosicht“ darlegt, in der sie und ihre Kolleg*innen der Frage nach der Evidenz nachgegangen sind, dem wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit von Massage. Nach einer Beschreibung der Vorgehensweise berichtet sie von den Ergebnissen: Positive Nachweise für eine kurzfristige Wirkung von Massage gibt es beispielsweise bei chronischen Rückenschmerzen. Für einen langfristigen Therapieerfolg jedoch empfehlen die meisten Arbeiten Massage in Kombination mit Bewegung. Generell: Viele Studienergebnisse sind widersprüchlich, dennoch wird Massage wegen des höheren Nutzens für Patient*innen in Kombination mit Bewegungstherapie empfohlen.

Es ist nicht richtig, dass kaum Studien zu Massage existieren, vielmehr gibt es viele Studien, die allerdings großteils von geringer Qualität sind. Evidenz bedeutet nicht die Reduktion auf randomisierte kontrollierte, doppelt verblindete Studien, aber es bedeutet „best level of evidence“, d.h. man schaut sich an, in welcher Güte Studien vorliegen. Existieren randomisierte Studien, werden Fallstudien nicht mehr einbezogen. Es gibt eine Pyramide der Evidenz und die höchste Stufe bilden bereits vorhandene Zusammenfassungen, wenn möglich von randomisierten Studien. Die Verblindung ist in vielen Bereichen nicht möglich – positiv aber, wenn sie möglich ist. Entscheidend sind die Vergleichsgruppen, d.h. wogegen man die jeweiligen Interventionen vergleicht, wenn möglich in einer randomisierten Form, damit alle anderen Einflussfaktoren möglichst gleich verteilt sind. Zellstudien, wie aus dem Publikum angemerkt, wurden in die Studienauswertung nicht inkludiert, da es um Studien mit Patient*innennutzen geht. Eine physiologische Beweisführung ist sinnvoll, aber nur ein Voraspekt.

Das Evidenzniveau ist, wie auch andere Diskutant*innen anführen, niedrig. Dennoch wäre es nach all den Leitlinienempfehlungen und Ergebnissen aus systematischen Übersichtsarbeiten und teilweise auch Einzelstudien unzulässig, Massage allein anzuwenden, weil eine recht durchgängige Empfehlung dahintersteht, Massage in Kombination mit Bewegung anzuwenden.

In den Studien, die in Frau Dr. Wilbachers Arbeit eingeflossen sind, geht es nicht um Massage versus Bewegungstherapie, sondern um die Frage, ob Massage allein oder in Kombination mit Bewegung zu bevorzugen ist. Das wichtigste Ziel ist, den Weg mit dem größten Patient*innennutzen zu suchen, und Evidenzbasierung ist der Weg zur Objektivierung von einzelnen Erfahrungen.

Herr Univ-Prof. Dr. Gerold Ebenbichler (Universitätsklinik für physikalische Medizin, Rehabilitation & Arbeitsmedizin, MUW, AKH Wien, Leiter der Ambulanz für Wirbelsäulenstörungen und Dekonditionierungssyndrome, AKH Wien) führt aus, welche Fakten und Befunde er als Facharzt benötigt, um eine Indikation für Massage und/oder Bewegungstherapie zu stellen. Neben bildgebenden und anderen objektiven diagnostischen Verfahren werden eine umfassende Inspektion, Palpation und Untersuchung des Bewegungsapparats durchgeführt. Dazu gehört die Feststellung funktioneller Beeinträchtigungen der Patient*innen hinsichtlich eingeschränkter Gelenksbeweglichkeit, muskulärer Veränderungen, neuromuskulärer Veränderungen wie Muskelschwäche, Koordinationsstörungen, Verspannungen der Muskulatur, eventuell auch von Verquellungen des Unterhautgewebes und anderes, wie Insertionstendinosen, Triggerpunkte etc.

Nackenschmerz oder Schulterschmerz ist keine Diagnose, sondern ein Symptom, das den*die Patient*in stört. Dahinter steht ein Syndrom, das aufzuschlüsseln ist. Etwaige bösartige Erkrankungen sind ebenso auszuschließen wie Schmerzprojektionen eines inneren Organs, ein Tumor oder Verletzungen. Auf Basis dieser und weiterer Befunde, auch unter Einschätzung der Persönlichkeit des*der Patient*in, entwickelt er ein Konzept und gibt klare Zielvorstellungen für die erforderliche Massage: Nicht in erster Linie den Schmerz zu behandeln, sondern einen hypertonen Muskel zu reduzieren, Unterhautgewebe oder Faszien zu lockern oder den Blutfluss zu vermehren… Massage bildet eine wesentliche physikalisch-medizinische Intervention.

Dr. Ebenbichler ist Verfechter der evidenzbasierten Medizin, und für Massage, wenngleich sich die Evidenzlage nicht mit der von Medikamentenstudien vergleichen lässt, gibt es einige Indikationen mit eindeutig positiven Wirkungsnachweisen. In der Praxis evidenzbasierter Medizin ist der Wirksamkeitsnachweis aber immer nur ein, wenngleich wichtiger Parameter. Andere Parameter sind auch Vorerfahrungen des*der Patient*in sowie die Erfahrung des*der Therapeut*in.

Es sollte nicht vergessen werden, dass mit Bewegungstherapie und Massage starke interpersonelle Beziehungen hergestellt werden und der sogenannte Placebo-Effekt (aber auch der Nocebo-Effekt) eine wesentliche Rolle spielt. Die dahinterstehenden Mechanismen wirken auf Wohlbefinden, Entspannung und Muskulatur einfach dadurch, dass eine Kontaktperson da ist. Zuwendungseffekte und Erwartungen von Patient*innen machen in wesentlichen Bereichen den Therapieeffekt aus und zunehmend stellt sich heraus, dass Kontextfaktoren eine wesentliche Rolle spielen und quasi neurohumorale Mechanismen ablaufen, die zu einer Verbesserung des Schmerzsyndroms beitragen können.

Herr Dr. Ebenbichler hat vor Jahren eine große, randomisierte und kontrollierte Studie durchgeführt, in der die Nachbehandlung nach Bandscheibenoperationen untersucht wurde. Verglichen wurde die physiotherapiebegleitete Nachbehandlung mit einer Massage-Intervention und keiner Intervention (diese Patient*innen bekamen einzig ein Booklet). Nach drei Monaten und eineinhalb Jahren zeigte sich kein Unterschied zwischen der Massage- und der Physiotherapiegruppe, sehr wohl aber ein Unterschied beider Gruppen zur Kontrollgruppe (ohne therapeutische Interventionen).

Herr Dr. Ebenbichler ist verwundert über die Vereinbarung mit der Salzburger Ärztekammer, weil die unterschiedlichen Phasen außer Acht gelassen werden, in denen sich ein*e Schmerzpatient*in befindet. Seines Wissens gibt es heute in fast allen Leitlinien die Empfehlung in den akuten Phasen keine Bewegungstherapie durchzuführen, den*die Patient*in aber sehr wohl zu Bewegung zu motivieren. Und wenn in dieser Situation von Physiotherapie gesprochen wird, geht es wahrscheinlich um manualmedizinische Techniken, um beispielsweise eine eingeschränkte Beweglichkeit oder muskuläre Verspannungen mittels Mobilisations- und Manipulationstechniken zu verbessern. Das aber ist nicht die Bewegungstherapie, um die es in dieser Diskussion geht.

In dem Moment, wo ein*e Ärzt*in Physiotherapie auf die Verordnung schreibt und keine Ziele vorgibt, ist der*die Physiotherapeut*in voll handlungsfähig in allen Bereichen, die Verantwortung allerdings liegt in der Hand des*der Ärzt*in. Passiert etwas, weil etwas übersehen oder eine nicht optimale Technik eingesetzt wurde, dann ist der*die Ärzt*in haftbar, denn Verordnungen sind Anordnungen und keine Überweisungen. Viele Salzburger Allgemeinmediziner*innen haben manualmedizinische, teilweise auch osteopathische Ausbildungen, weshalb es verwunderlich ist, dass die SGKK mit dem neuen Modell eine Vereinfachung für sie erreichen möchte, die einer Überweisung gleichkommt.

Massage und Aktivtherapie sind wichtige Interventionen in der Behandlung von Patient*innen mit Beschwerden im Bewegungsapparat. Die Indikationen und Kontraindikationen zu stellen und zu setzen allerdings obliegt dem*der Ärzt*in. Es handelt sich um eine ärztliche Anordnung und der*die Ärzt*in ist letztverantwortlich für die Therapie und den Genesungsprozess.

Es ist ein großes Problem, wenn man zwingend Massage- und Bewegungstherapie nur gemeinsam verordnen kann. Beide Methoden gehören zum ärztlichen Repertoire und sollen entkoppelt verordnet werden können. Sein Wunsch ist, dass sich in Zukunft alle Beteiligten besser darüber verständigen, unter welchen Umständen eine Massage allein Sinn macht.

Frau Mag. Gabriele Wieser-Fuchs (Bereichsdirektorin der Salzburger Gebietskrankenkasse, SGKK) erläutert das „Salzburger Modell“. Hintergrund ist, dass die SGKK traditionell ein hohes Leistungsvolumen im Bereich Physiotherapie aufweist und schon vor einiger Zeit eine Vereinbarung mit der Salzburger Ärztekammer geschlossen hat, bei der Verordnung von Physiotherapie den Schwerpunkt auf Aktivtherapie zu legen.

Die Umsetzung dieser Vereinbarung erfolgte mit den Leistungserbringern der Physiotherapie, d.h. Vertreter*innen der WK Salzburg für die Physioambulatorien und von Physio Austria Salzburg. Mit dem neuen Leistungskatalog wurde der Einzelleistungskatalog gestrafft und durch Zeiteinheiten ersetzt. Die Standardposition (PT1) umfasst 45 Minuten mit explizitem Schwerpunkt Physiotherapie, so dass zumindest 30 Minuten dieser Zeiteinheit mit dem*der Patient*in aktiv gearbeitet werden muss. Ergänzend kann und soll die Therapeut*in entscheiden, welche Passivtherapien geeignet und notwendig sind.

Die frühere Einzelleistung Teilmassage gibt es nun nicht mehr, nur noch als Maßnahme innerhalb des Spektrums der Passivtherapien. Jede*r Physiotherapeut*in kann somit entscheiden, in welchem Fall, Massage indiziert ist, wobei in Physioambulatorien die Massagen auch von medizinischen und/oder Heilmasseur*innen erbracht werden können. Der Vorteil des neuen Modells liegt für die SGKK in einer hochwertigeren Behandlung, weil der Fokus auf der Aktivtherapie liegt und der*die Therapeut*in flexibel auf den Behandlungsverlauf eingehen kann. Zudem ist eine mindestens 45 minütige Behandlung garantiert und die Abrechnung vereinfacht.

Die Einfachheit des Systems unterstützt verordnende Ärzt*innen, da vor allem Allgemeinmediziner*innen der Meinung sind, dass Physiotherapeut*innen besser beurteilen können, welche Maßnahmen im konkreten Behandlungsverlauf am sinnvollsten sind. Ärzt*innen, vor allem aber Fachärzt*innen für Physikalische Medizin haben zusätzlich die Möglichkeit, am Verordnungsschein ergänzend anzumerken, welche konkrete Maßnahme erbracht werden soll.

Frau Mag. Wieser-Fuchs ist sich bewusst, dass Heilmasseur*innen dem neuen Modell kritisch und verunsichert gegenüberstehen, ersucht aber um Verständnis, dass sich die SGKK bei ihren Überlegungen auf wissenschaftliche Erkenntnisse und entsprechende Fachexpert*innen beruft und berufen muss. Finanzielle Gründe stehen nicht im Vordergrund der Überlegungen der SGKK, da es sich nur um wenige Verordnungen und geringe Beträge handelt: Salzburger Ärzt*innen haben 2015 (für dieses Jahr sind die Zahlen der SGKK vollständig ausgewertet) in lediglich 1,78% aller (eingereichten) Verordnungen eine Teilmassage allein verordnet. 0,41% davon haben Heilmasseur*innen erbracht. 95% der Verordnungen konnten nicht von Heilmasseur*nnen bearbeitet werden, und nur in 0,84% der Verordnungen waren Heilmasseur*innen involviert.

Den Vorwurf, das „Salzburger Modell“ würde den Beruf des*der Heilmasseur*in „ausradieren“, kann Frau Mag. Wieser-Fuchs nicht nachvollziehen. Da die SGKK den Bereich der Physiotherapie primär mit ihren Vertragspartner*innen regelt und auch die vorliegenden Modelle in Zusammenarbeit mit ihnen entwickelte, ist das Thema Heilmasseur*in gleichsam „plötzlich aufgeschlagen“. Und überhaupt mischen sich ihrer Ansicht nach berufspolitische Themen mit der Frage, wie die SGKK zur Massage steht. Es gab nie die Behauptung, dass Massage unwirksam sei oder dass die SGKK keine Massage wolle. Massage ist eine Leistung, die die SGKK anbietet und ihren Versicherten zur Verfügung stellen will, aber eben in Kombination. Ihr Wunsch ist, dass Verständnis und/oder Nachvollziehbarkeit für die Salzburger Lösung bei den Heilmasseur*innen entsteht.

Frau Romana Schöberl (Präsidentin des Heilmassage-Verbandes BHÖ), die demnächst selbst vom „Salzburger Modell“ betroffen sein wird, hält fest, dass viele ihrer Themen schon angesprochen wurden und betont nochmals, dass Heilmasseur*innen eine sehr gute und geregelte Ausbildung haben, im Bereich der Lymphdrainage beispielsweise 200 Stunden, Physiotherapeut*innen hingegen nur 80 Stunden.

In einer Akutphase wird häufig, z.B. in Zusammenarbeit mit Onkologen, keine Aktivtherapie angewendet. Diese Patient*innen kommen zuerst zum*zur Heilmasseur*in und erst dann zur Physiotherapeut*in. Und sie greift das Thema der Rückvergütung auf: Viele Patient*innen nehmen wegen der geringen Höhe die Refundierung nicht in Anspruch – und diese Verordnungen scheinen bei den Versicherungsträgern deshalb überhaupt nicht auf.

Ihr Wunsch ist eine gute Kommunikation mit den Versicherungsträgern und dass, auch hier in Hinblick auf Wertschätzung, bei Fragen, in denen es um Heilmasseur*innen geht, eine*n kompetente*n Heilmasseur*n einbezogen wird. Ebenso geht es bei den zwei Euro Rückerstattung um Wahrnehmung und Wertschätzung: Wenn eine Leistung nur zwei Euro wert ist, dann ist das keine große Wertschätzung. Wenn gar keine Rückvergütung mehr stattfindet, fehlt sie ganz.

Frau Constance Schlegl MPH (Präsidiumsmitglied Physio Austria) kam anstelle von Frau Meriaux-Kratochvila, die krankheitsbedingt absagen musste, und geht auf die Kompetenz des akademischen Gesundheitsberufs Physiotherapeut*in ein, die Diagnosen verpflichtend erstellen müssen. Die Durchführung der Behandlung erfolgt anschließend eigenverantwortlich und wird mit dem*der Patient*in vereinbart, ebenso etwaige Adaptierungen im Zuge der Behandlung.

Massage ist in der Physiotherapie eine mögliche Maßnahme, die im Bedarfsfall von dem*der Physiotherapeut*in gewählt wird, wobei Physiotherapeut*innen als Leistungserbringer den Richtlinien ökonomischer Krankenbehandlung (RÖK) folgen, d.h. Physiotherapeut*innen sind den aktuellen Leitlinien und der Evidenz verpflichtet. Wird Massage nicht als eigenständige Maßnahme gesehen, wird das von Physiotherapeut*innen berücksichtigt. Damit allerdings werden weder die Wirksamkeit von Massage noch die Qualifikation von Masseur*innen in Frage gestellt.

Frau Schlegl sieht die Anwendung der Massage bei dem*der Heilmasseur*in anders, weil der*die Heilmasseur*in (soweit ihr bekannt sei) keine eigenständige Diagnose erstellt und keinen Behandlungsprozess gestaltet, vielmehr das tut, was ihr durch die ärztliche Anordnung vorgegeben ist. Demgegenüber wählt der*die Physiotherapeut*in selbständig die jeweils passende Maßnahme.

Auch die Evidenz für physiotherapeutische Behandlungen ist in weiten Bereichen nicht großartig, aber international in Leitlinien verankert. Das ist nicht der Lobby der Physiotherapeut*innen geschuldet, und auch in der Physiotherapie gibt es Grenzen, welche Leistungen von den Krankenkassen übernommen werden.

Überrascht ist sie von Verschwörungstheorien, dass es das Ziel von Physio Austria wäre, die Heilmasseur*innen „auszuradieren“. Sie selbst hat Kolleg*innen, die gut und gerne mit Heilmasseur*innen zusammenarbeiten, auch angestellt in der Praxis, weil es Physiotherapeut*innen freisteht, Massagen weiterzugeben. Eigentlich säßen alle im gleichen Boot, da die Lymphdrainage vor zwei Jahren in Wien als Leistungsposition in Frage gestellt und mittlerweile aus dem Leistungskatalog gestrichen wurde.

Die unterschiedliche Höhe der Refundierung ist, so ein Verfassungsgerichtsurteil 2010, durch Unterschiede in Umfang und Dauer der jeweiligen Ausbildung gerechtfertigt. Letztendlich aber ist es immer der*die Patient*in, die den Großteil der Kosten trägt, weil der Wahlbereich gegenüber dem Sachleistungsbereich überwiegt.

Ein guter Schritt wäre die generelle Anhebung der Rückerstattung sowie gemeinsame Forschung zum Thema Outcome-Messungen und Funktionalität. Ihr Wunsch ist, dass Gemeinsamkeit darüber herrscht, dass der*die Patient*in im Mittelpunkt steht. Ein wichtiges Ziel wäre auch, die Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung des*der Patient*in zu stärken, da Schmerz nur ein Symptom ist, das Ergebnis einer nicht optimalen Funktion.

Herr Hon. Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp MBA (Gesundheitsökonom und Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik der AK NÖ) geht auf das Problem der Evidenz ein: Dass in Studien klarerweise nur das geschrieben steht, was erforscht wurde. In Kanada gab es in den Autobussen im Winter einen Spruch, der sinngemäß besagte, dass man den AllgemeinmedizinerInnen nicht auf die Nerven gehen sollte, sondern bei einem grippalen Infekt eine Hühnersuppe essen. Eine Evidenz für die Wirksamkeit von Hühnersuppe gibt es zwar nicht, aber das verbindet sie mit vielen Bereichen der Medizin. Einer Studie im British Medical Journal zufolge weiß man für die Hälfte der 3000 gängigsten Diagnosen nicht, ob das, was von den ÄrztInnen getan wird, mehr nutzt als schadet. Und auch bei der anderen Hälfte ist es teilweise unklar. Der Begriff der Evidenz sollte deshalb nicht überstrapaziert werden und der sogenannte Goldstandard in der Evidenz, die doppelblind randomisierte Studie, ist für manche Methoden nicht (einfach) anzuwenden.

Was die Massage betrifft, so ist die Studienlage nicht berauschend, das liegt aber auch daran, dass die Lobby der Masseur*innen nicht stark ist und bedeutet nicht, dass Massage nicht wirkt. Ähnliches gilt ja auch für Topfenwickel oder Essigpatscherln bei kleinen Kindern. Und es ist eindeutig unfair von der Massage eine Evidenz zu verlangen, die von der Hälfte der Medizin nicht geleistet wird. Deshalb sei es gut, dass zwei Expert*innen aus der Medizin am Podium sind, die aus der täglichen Praxis berichten können. Es ist nämlich keinesfalls außer Acht zu lassen, wie Mediziner*innen – unabhängig von den wenigen existierenden Studien – die Anwendung von Massage sehen, denn auch das zählt, was die Praxis zeigt.

Aus der Sicht der Gesundheitsökonomie geht es auch im Gesundheitsbereich um Märkte und in Österreich sind das Substitutionsproblem und das Problem der Konkurrenz nur sehr unbefriedigend gelöst. Es gibt das nicht zu unterschätzende Thema des Ersatzes einer Berufsgruppe durch eine andere, und den Marktmechanismus des „wir wollen ein größeres Stück vom Kuchen“. Das sollte klar in die Diskussion eingebracht werden – ohne sich hinter nicht vorhandenen Studien und Evidenz zu verschanzen. Die Ansprüche, ökonomischen Überlegungen und Hintergründe und wie dieses Feld vernünftig aufgeteilt werden sollte, sind offen auf den Tisch zu legen. Dabei wäre eher eine standespolitische als eine evidenz- oder wirksamkeitsorientierte Diskussion erforderlich – und keine verschleierten Diskussionen, die das Wesen der Dinge verdecken, und zum Teil gerade deshalb möglich sind, weil medizinisch so wenig Evidenz vorliegt und deshalb Glaubenskriege ausgefochten werden können.

Unterschätzt wird auch die Frage, ob Massage allein der Steigerung des Wohlbefindens dient. Aus ökonomischer Sicht ist dazu zu sagen, dass 80% der Kosten der Sozialversicherungen durch chronisch Kranke entstehen, wo viele Formen der Therapie und Unterstützung Sinn machen. Und bei der Messung von Wirkungen sollte auch die gesundheits- und krankheitsbezogene Lebensqualität einbezogen werden.

In Hinblick auf berufspolitische Aspekte ist nicht außer Acht zu lassen, dass auf der einen Seite staatlich geplante Ausbildungsstellen für Physiotherapeut*innen geschaffen werden (wobei sich keinerlei klaren Bedarfszahlen, weder national noch international, berechnen lassen) und auf der anderen Seite ein gewerblicher Bereich existiert, wo Menschen zum Teil viel Geld in ihre Ausbildung investieren. Und ihnen wird dann gesagt, dass sich das alles nicht bewährt. Es sollte vorab geklärt werden, was man in welchem Ausmaß braucht. Und es braucht eine faire Diskussion der Berufe. Diese ist zugegebenermaßen schwierig, denn für jeden Gesundheitsberuf gibt es mindestens eine gewerbliche Alternative, einen „Schattenberuf“. Dazu kommt, dass engagierte Leute, die ins Masseur*innengeschäft einsteigen und sich dann gerne weiterentwickeln möchten, z.B. über die Fachhochschulreife in Richtung Physiotherapie, häufig über Deutschland ausweichen, weil es dort leichter, die modulare Durchlässigkeit in Österreich hingegen endendwollend ist.

Es ist hoch an der Zeit über viele dieser Probleme zu reden, hier gibt es Nachholbedarf. Wichtig ist ein offenes Gespräch, das zum Kern der Sache kommt und auf einer intakten Gesprächsbasis aufbaut. In der Praxis, so kam es aus dem Publikum, funktioniert die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe gut und zugleich schließt sich Herr Dr. Rupp den Aussagen von Frau Schöberl an, dass es auch um eine Frage der Wertschätzung durch das Systems geht. Hier ist Aufmerksamkeit von Seiten der Sozialversicherung erforderlich, dass sich nicht immer mehr Berufe in diesem System nicht wohlfühlen.

Es gilt aufpassen, dass unser System nicht den Anschluss an das 21. Jahrhundert verliert und wir wirklich eine Zwei-Klassen-Versorgung bekommen einerseits und andererseits als öffentliches System so unattraktiv werden, dass viele nicht mehr mitmachen. Und es gilt aufzupassen, dass eine bestimmte Politik nicht einen Mangel erzeugt, der später zu teuren Reparaturmaßnahmen führt.

Wir sollten keine Hahnenkämpfe gegeneinander führen, Verteilungskämpfe, während wir es am anderen Ende mit börsennotierten Unternehmen zu tun haben, die uns mit exorbitant hohen Medikamentenpreisen bedrohen. Während wir darüber streiten, ob 2 Euro oder 2,50 Euro refundiert werden, haben wir zugleich eine Entwicklung, wo ein Therapiezyklus 400.000, 500.000 oder 600.000 Euro kostet. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht am falschen Ende zerfleischen und die Gesamtentwicklung außer Acht lassen. Das System muss leistbar bleiben und attraktiv sein für Patient*innenen ebenso wie für alle, die im System mitarbeiten sollen.

Herr Dr. Rupp warnt vor einer Entwicklung, in der die Menschen die geringfügige Rückvergütung überhaupt nicht mehr interessiert, sie auf das staatliche System pfeifen und lieber eine private Versicherung abschließen. Und es braucht auch Karrieremöglichkeiten an allen Ecken und Enden und Durchlässigkeit für Berufsgruppen, wenn jemand die Begeisterung an der Medizin oder die Liebe zum Menschen entdeckt hat. Dann soll es ihr möglich sein, dieser Begeisterung zu folgen und gute Bedingungen vorfinden, um von ihrer Arbeit auch leben zu können. Und es wäre wünschenswert, würde in Österreich ein Beitrag geleistet, um Evidenz zu generieren – nicht nur im Bereich von Massage, da auch in der Physiotherapie die Evidenzlage nicht viel besser ist.

Die Kernpunkte von Frau Silvia Kollos-Bochdansky, Physiotherapeutin und Lehrtherapeutin in Vorarlberg, die krankheitsbeding kurzfristig als Diskussionsteilnehmerin ausfiel, werden von der Moderatorin eingebracht: Für sie steht das Patient*innenwohl absolut im Mittelpunkt und Massage ist unter bestimmten Bedingungen – ähnlich in der Argumentation wie Dr. Zauner-Dungl und Dr. Ebenbichler – sehr wohl eine eigenständige Behandlung.

Aus dem Publikum berichtet Frau Sigrid Wessiak, Pressesprecherin vom Bundesverband der Heilmasseur*innen, dass ihr im Hauptverband beschieden worden sei, dass Heilmasseur*innen nicht benötigt würden, da die Arbeit des*der Heilmasseur*in von Physiotherapeut*innen übernommen werde. Die SGKK wäre damit jetzt die erste, die das umsetzt und Heilmasseur*innen sind in ihrer Existenzgrundlage gefährdet – eine Ansicht, die auch andere im Saal anwesende Heilmasseur*innen teilen.

Herr Dr. Manfred Zauner führt aus, dass in seinem Berufsalltag viele Patient*innen, wenn ihre Schmerzen besonders stark sind, zuerst eine Massage mit muskellockernden, detonisierenden Griffen benötigen, bevor sie einer gezielten Physiotherapie zugeführt werden können. Das allerdings widerspricht dem Überwiegen der Aktivtherapie, wie es das Salzburger Tarifmodell fordert, das zu einem Engpass und zu Kostensteigerung führen wird, weil langfristig mit den Physiotherapeut*innen allein nicht genügend Kapazitäten vorhanden sind.

Auch Heilmasseur*innen sind verpflichtet eine Befundung durchzuführen, um bestmöglich zu behandeln. Und wenn es um das Patient*innenwohl geht, dann sollten Masseur*innen eingebunden werden, denn diese haben die Massage besser gelernt als Physiotherapeut*innen. Auch greift Dr. Zauner nochmals das Thema des wertschätzenden Umgangs miteinander auf, wobei auch ein wertschätzender und angepasster Rückerstattungssatz wünschenswert, ja gerechtfertigt wäre.

Herr Rudolf Hannes Enzinger, Landesinnungsmeister in Salzburg, berichtet, dass das neue Tarifmodell der SGKK anfangs große Unsicherheit bei den Heilmasseur*innen mit sich brachte, vor allem weil die Umstellung sehr rasch erfolgte. Hier hat sich die Situation mittlerweile etwas verbessert.

Schon die bisherige Bezuschussung von zwei Euro pro Heilmassage zeigte eine Schlechterstellung der Heilmasseur*innen gegenüber den Physiotherapeut*innen, die eine deutlich höhere Rückerstattung bekommen. Nun aber werden selbst diese zwei Euro nicht mehr gewährt, was nicht nachzuvollziehen ist und für die Patient*innen von Heilmasseur*innen eine klare Benachteiligung mit sich bringt.

Lymphdrainage ist allerdings nach wie vor im Salzburger Tarifmodell enthalten und ein*e Heilmasseur*in kann eine PT1-Verordnung für Lymphdrainage verwenden. Auch die Rückerstattung dafür ist unverändert geblieben, wobei die bekannten Unterschiede zwischen der Rückerstattung bei dem*der Masseur*in und dem*der Physiotherapeut*in weiterhin bestehen und „weh tun“. Zur Richtigstellung sei auch noch zu erwähnen, dass ein*e Heilmasseur*in sehr wohl eine Heilmassage im Zuge einer PT1-Verordnung durchführen kann, allerdings ist die Kostenrückerstattung gestrichen worden.

Landesinnungsmeisterin Petra Felber bedankt sich abschließend nochmals bei allen Anwesenden, ihr Engagement und ihr Kommen.