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Lewis, Cynan: Strain-Counterstrain therapy combined with exercise is not more effective than exercise alone on pain and disability in people with acute low back pain
Die Studie “Strain-Counterstrain therapy combined with exercise is not more effective than exercise alone on pain and disability in people with acute low back pain: a randomised trial” von Cynan Lewis, Tina Souvlis und Michele Sterling wurde im Journal of Physiotherapy 2011 veröffentlicht.[1]
Fragestellung und Durchführung der Studie
Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Studie ist, ob die osteopathische Strain-Counterstrain-Behandlung zusammen mit Bewegungstherapie hinsichtlich der Reduktion von Schmerz und Bewegungseinschränkung bei Menschen mit Schmerzen im unteren Rücken effektiver ist als eine reine Bewegungstherapie.
Die Strain-Counterstrain-Technik, übersetzt wohl am besten mit Spannung und Gegenspannung, wurde in den 1960er-Jahren vom US-amerikanischen Arzt und Osteopathen Dr. Lawrence H. Jones entwickelt. In der Counterstrain-Technik werden bestimmte druckschmerzhafte Muskel- und Sehnenpunkte, so genannte „Tenderpoints“, behandelt. Mit einer speziellen Lagerungstechnik, so die Deutsche Gesellschaft für Osteopathische Medizin[2], werden diese Tenderpoints vollständig entspannt und anhaltend aufgelöst.[3]
Die Studie wurde als „randomised trial with concealed allocation, assessor blinding, and intention-to-treat analysis”, durchgeführt – mit verdeckter Zuteilung und Verblindung bei den Gutachtern.
89 TeilnehmerInnen, 55 Frauen und 34 Männer, im Alter zwischen 18 und 55 Jahren wurden zufällig zur Experimentalgruppe mit Strain-Counterstrain-Behandlungen (44 Personen) bzw. zur Kontrollgruppe ohne Strain-Counterstrain-Behandlungen (45 Personen) zugeteilt. Alle Versuchspersonen hatten seit weniger als drei Monate Schmerzen im unteren Rücken (lumbal und/oder sakral). Alle TeilnehmerInnen waren in der Lage für etwa 10 Minuten entweder am Bauch oder am Rücken zu liegen und zeigten in der Erstuntersuchung zumindest vier Tenderpunkte.[4]
Behandlungen
Die StudienteilnehmerInnen erhielten jeweils vier 30-minütige Behandlungen innerhalb von drei Wochen. Alle TeilnehmerInnen erhielten die gleiche generelle Empfehlung, die vom Arzt verschriebene Medikation beizubehalten und weiterhin aktiv zu bleiben, zugleich aber Tätigkeiten und Bewegungen zu vermeiden, die die Schmerzen im unteren Rücken verschlimmern.
Zugleich wurden alle TeilnehmerInnen in ein standardisiertes Übungsprogramm eingeschult (das sie auch als schriftliche Unterlage erhielten). Das Übungsprogramm bestand aus drei Übungen, die üblicherweise von Physiotherapeuten für PatientInnen mit Schmerzen im unteren Rücken „verschrieben“ werden[5], und sollte zweimal täglich ausgeführt werden – in einer Intensität, die die Schmerzen nicht verstärkt.
Die TeilnehmerInnen der Versuchsgruppe erhielten zweimal die Woche (zwei zusammenhängende Wochen hintereinander) eine Strain-Counterstrain-Behandlung und eine Überprüfung des Übungsprogramms. Die Strain-Counterstrain-Behandlung beinhaltete die passive Positionierung der TeilnehmerIn mit unterschiedlichen Graden „of spinal flexion/extension, lateral flexion and rotation, such that there was a two-thirds reduction in tenderness at a monitored digitally tender point“.[6]
Auch die TeilnehmerInnen der Kontrollgruppe hatten zweimal wöchentlich in zwei zusammenhängenden Wochen einen Behandlungstermin, in dem die Übungen supervidiert und gegebenenfalls korrigiert wurden.
Nach den zwei Wochen der Experimentalphase erhielten beide Versuchsgruppen die gleichen ergänzenden Interventionen, nämlich eine Erweiterung des Übungsprogramms, „ergonomic instruction, soft-tissue mobilisation, and joint mobilisation“.[7]
Datenerfassung
Das primäre Ergebnis wurde mit einem modifizierten Oswestry-low-back-pain disability-Fragebogen nach zwei Wochen, sechs Wochen und 28 Wochen erfasst. Die sekundären Messungen betrafen den „SF-36, visual analogue scale pain ratings, and a 7-point global rating of change”.[8]
Ergebnisse
Am Ende des zweiwöchigen „Interventionszeitraums“ zeigten sich zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten Änderungen im mofizierten Oswestry-Disability-Index, auch nicht in einer der zusätzlichen Messungen oder in Hinblick auf die Verwendung von Schmerzmitteln.
Der einzige signifikante Unterschied zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe fand sich unmittelbar nach den Behandlungen. Die Versuchsgruppe zeigte dabei einen mittleren Wert von 2,9, die Kontrollgruppe von 3,5 – ein Unterschied von 0,6 Punkten.
Diese Unterschiede fanden sich allerdings nicht mehr in den Untersuchungen nach 6 und 28 Wochen. Auch hinsichtlich der erforderlichen weiteren Behandlungen oder der Medikamentengebrauch zeigten sich keine Unterschiede, und in keiner der beiden beobachteten Gruppen ergaben sich negative Auswirkungen.
Schlussfolgerungen
Die Autoren sehen auf Basis ihrer Ergebnisse keine Notwendigkeit, Strain-Counterstrain-Behandlungen bei akuten Schmerzen im unteren Rücken zu empfehlen, schränken ihre Aussage aber unter anderem dahingehend ein dass es eine PatientInnengruppe geben könnte, die von dieser Behandlung profitiert. [9] Das allerdings allerdings könnte erst aus nachfolgenden Studien abgeleitet werden.
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[1] Journal of Physiotherapy 2011 Vol. 57, S. 91-98 (Australian Physiotherapy Association); online unter http://www.journalofphysiotherapy.com/article/S1836-9553(11)70019-4/fulltext bzw. http://www.journalofphysiotherapy.com/article/S1836-9553(11)70019-4/pdf (Zugriff 26.12.2017)
[2] https://www.dgom.info (Zugriff 26.12.2017)
[3] Ziel der Therapie des Strain-Counterstrain ist das Auffinden einer Körperposition, die eine maximale Schmerzreduzierung und ein maximales Gewebe-Release des Tenderpunktes hervorruft. Der Tenderpunkt wird dabei meist gleichsam in das umgebende Gewebe hinein gefaltet und damit das Gewebe in seiner Umgebung verkürzt und entspannt. (https://blog.loadmedical.com/die-strain-counterstrain-technik-tenderpunkte, Zugriff 26.12.2017).
Lewis führt dazu aus: „Strain-Counterstrain is a manual therapy intervention involving passive positioning of the body or limbs. It has been proposed as a treatment for musculoskeletal pain and dysfunction (Jones et al 1995). When used to treat acute low back pain, this intervention can be considered as a form of spinal manipulative therapy because the pelvis, sacrum, and lower limbs are used to position the lumbar and sacral regions passively in degrees of flexion, extension, lateral flexion, and rotation. The rationale for Strain-Counterstrain treatment is unclear. A proprioceptive model (Korr 1975), which has not been experimentally tested, provides the hypothetical basis for the Strain-Counterstrain assessment and treatment using digitally tender points (Jones et al 1995 Kusunose 1993). To our knowledge, there is no experimental evidence to support the use of Strain-Counterstrain for the treatment of acute low back pain, although reductions in pain and disability following Strain-Counterstrain treatment for low back pain have been reported in case studies (Lewis and Flynn 2001)” (http://www.journalofphysiotherapy.com/article/S1836-9553(11)70019-4/pdf S. 91).
[4] Ausschlusskriterien waren z.B. ein Oswestry Disability Index unter 1, ein Wirbelbruch, eine Wirbelsäulen-OP, eine entzündliche Erkrankung, Myofibralgie oder auch eine prognostizierte Nervenwurzelentzündung.
[5] Die Übungen sind „side-lying abdominal bracing (intended to activate deep. abdominal stabilisers) (Richardson et al 1999), alternate knee-to-chest holds (Nicholas et al 2007), and side-to-side lumbar rotation (Olson 2007)” (http://www.journalofphysiotherapy.com/article/S1836-9553(11)70019-4/pdf, S.92).
[6] http://www.journalofphysiotherapy.com/article/S1836-9553(11)70019-4/pdf, S.92.
[7] Ebd., S. 92.
[8] Ebd., S. 92.
[9] „Our findings should be considered within the context of the limitations of the study design. Since this trial was conducted in a clinical setting with the majority of participants referred by medical practitioners for physiotherapy treatment, it was not possible to incorporate a control group that did not receive physiotherapy intervention. Consequently, we were unable additional treatments such as Strain-Counterstrain and other to determine the degree to which significant improvements in outcome measures for both experimental and control groups were due to the natural history of acute low back pain. Due to the type of intervention, it was not to blind the physiotherapist who provided interventions. Because no sham-experimental intervention was included in the study design, it was not possible to determine the degree to which the manual contact in the experimental group influenced outcome measures. No attempt was made to control for medications taken by participants, which included opioid and non-opioid analgesics and non-steroidal anti-inflammatory drugs” (http://www.journalofphysiotherapy.com/article/S1836-9553(11)70019-4/pdf, S.96).