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Sherman, Karen J.: Five-Week Outcomes From a Dosing Trial of Therapeutic Massage for Chronic Neck Pain

In der Studie „Five-Week Outcomes From a Dosing Trial of Therapeutic Massage for Chronic Neck Pain“ von Karen J. Sherman et al.[1] werden 228 Personen mit chronischen unspezifischen Nackenschmerzen zufällig einer der fünf Versuchsgruppen zugeteilt, die innerhalb von vier Wochen verschiedene Dosen von Massagebehandlungen erhielten, oder aber der Kontrollgruppe, die auf eine Warteliste gesetzt wurden. Beobachtet werden die Ergebnisse der unterschiedlichen Behandlungsschemata eine Woche nach dem Ende der vierwöchigen Behandlungsphase.

Hintergrund                                                                                  

Nackenschmerzen sind in den USA sehr häufig, wovon mehr als 10 Millionen Arztbesuche pro Jahr zeugen. Mindestens die Hälfte der Personen mit Nackenschmerzen berichtet über anhaltende oder wiederkehrende Beschwerden. In den USA sind Nackenschmerzen, so die Autoren, die achthäufigste Hauptursache für Erwerbsunfähigkeit, weltweit die vierthäufigste. Und Nackenschmerzen sind der zweithäufigste Grund für den Einsatz von komplementären und alternativen (CAM-) Methoden, insbesondere von Chiropraktik und Massage.[2]

Massage ist die am zweithäufigsten verwendete CAM-Methode für Nackenschmerzen. Und obwohl sie oft als eigenständige Behandlung für chronische Nackenschmerzen in den USA verwendet wird, gibt es keine konsistenten Forschungsergebnisse zu ihrer Wirksamkeit.[3]

Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es deshalb die optimale Kombination von Häufigkeit und Dauer von Heilmassage-Behandlungen mit Heilmassage bei Personen mit chronischen Nackenbeschwerden zu evaluieren.

Die Versuchspersonen

Die Studienteilnehmer waren Erwachsene im Alter von 20 bis 64 Jahren mit chronischen unspezifischen Nackenschmerzen von mindestens 3 Monaten und kamen aus dem aus dem Großraum Seattle. Sie wurden zwischen Juni 2010 und August 2011 rekrutiert.

Ausgeschlossen wurden Personen, deren Nackenschmerzen eine pathologisch erkennbare Ursache[4] hatten, komplex[5] oder zu mild[6] waren. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Personen mit möglichen Kontraindikationen für Massagen[7] wie auch Personen, die Massagen innerhalb der letzten 3 Monate bzw. Massagen wegen Nackenschmerzen innerhalb des letzten Jahres erhalten haben. Darüber hinaus waren bestimmte medizinische Problemen, die mit Rücken- oder Nackenschmerzen in Verbindung stehen, ein Ausschlussgrund für die Aufnahme in die Studie.

Die Versuchspersonen wurden per Zufallsprinzip einer von sechs Gruppen (fünf Versuchs- und eine Kontrollgruppe) zugeteilt.

Durchführung

Die nackenbedingte Dysfunktion (Bewegungseinschränkung) wurde mit dem Neck Disability Index (Spanne: 0-50 Punkte) und die Schmerzintensität mit einer numerischen Bewertungsskala (Spanne: 0-10 Punkte) zu Studienbeginn und nach fünf Wochen gemessen. Für die Aufnahme in die Studie war eine Teilnahme von zumindest 75 Prozent aller Behandlungen erforderlich.

Die Versuchspersonen erhielten vier Wochen lang entweder zweimal oder dreimal pro Woche eine 30-minütige Massagebehandlung oder aber eine 60-minütige Massagebehandlung einmal, zweimal oder dreimal pro Woche (Versuchsgruppen). Die Kontrollgruppe erhielt keinerlei Behandlungen.

Die Massagebehandlungen wurden auf Basis einer früheren Studie von Sherman et al.[8] festgelegt. Die Behandler erhielten für jeden Teil der Massage[9] eine zeitliche Begrenzung und durften eine breite Palette von Massagetechniken anwenden. Selbsthilfeempfehlungen (self-care recommendations) wurden in keiner Gruppe zugelassen.

Acht lizenzierte Massagetherapeuten mit mindestens 5 Jahren Berufserfahrung wurden in die vorgeschriebenen Massagebehandlungen eingeschult und führten diese in der Forschungsklinik der Group Health durch, wobei die Behandlungstreue von einem Forschungsassistenten überwacht wurde.[10]

Die Versuchspersonen wurden zu Studienbeginn und nach fünf Wochen (also eine Woche nach Abschluss der Behandlungen) bewertet. Die abschließende Befragung wurde von Telefoninterviewern durchgeführt, die über die Gruppenzugehörigkeit der befragten Personen nicht Bescheid wussten.

Studienergebnisse

Die „Therapietreue“ (als Aufnahmekriterium definiert mit 75% aller vorgeschriebenen Massagebehandlungen) lag bei vier der fünf Versuchsgruppen bei zumindest 95%, in der fünften Gruppe (30 Minuten dreimal wöchentlich) bei 84%.

Da Selbstbehandlungsempfehlungen („self-care recommendations“) verboten waren, berichteten letztlich nur 6 der 184 StudienteilnehmerInnen (3,3%; auf alle Gruppen gleichmäßig verteilt) von Selbstbehandlungen, die sie von den MassagebehandlerInnen empfohlen bekommen hätten.

Die Verwendung von Medikamenten (als „nonstudy treatment“) variierte zwischen den Gruppen. In der Gruppe derer, die drei 60-minütige Massagen wöchentlich erhielten, sank der Medikamentenkonsum von 71,8% (Baseline) auf 34,2%, in der Gruppe mit drei 30-minütigen Behandlungen pro Woche hingegen stieg er von 48,7% auf 67,7%. In allen anderen Behandlungsgruppen schwanke die absolute prozentuale Veränderung des Medikamenteneinsatzes zwischen -13,2% und 2,6%, und in der Kontrollgruppe stieg er von 56,8% auf 62,9%.

Ungefähr ein Drittel der TeilnehmerInnen berichtet, dass sie mindestens dreimal pro Woche Nackenübungen machen – sowohl zu Beginn der Untersuchung als auch nach 5 Wochen. Und 11% der TeilnehmerInnen geben an, während der fünfwöchigen Behandlungsdauer Fachkräfte des Gesundheitswesens, vor allem Hausärzte und Chiropraktiker aufgesucht zu haben. Der höchste Prozentsatz wurde dabei in der Kontrollgruppe der Warteliste (17%) verzeichnet.

Generell, so das Ergebnis der Studie, berichtete die Mehrzahl der StudienteilnehmerInnen über klinisch relevante Verbesserungen sowohl in der Bewegungseinschränkung als auch in der Schmerzintensität (im Vergleich zur Kontrollgruppe). Statistisch signifikante Unterschiede zeigten sich aber nur bei den 60-minütigen Behandlungen, die mehrmals pro Woche angewendet wurden.

Die Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich (NDI-Wert) verbesserte sich in allen Versuchsgruppen, wohingegen er sich in der Kontrollgruppe (Warteliste) verschlechterte. Die Unterschiede gegenüber der Kontrollgruppe sind in allen Versuchsgruppen – mit Ausnahme der Gruppe mit den dreimal 30 Behandlungsminuten pro Woche – signifikant. In punkto Nackenschmerzen zeigten sich signifikante Verbesserungen nur bei zwei- und dreimaligen 60-minütigen Behandlungen pro Woche.

In einem zusätzlichen Vergleich der 60-minütigen Behandlungen (0 bis dreimal pro Woche) zeigt sich eine signifikante, dosisabhängige Besserung, sowohl was die Beweglichkeit als auch die Schmerzintensität betrifft.

Als zusätzliches Ergebnis führen die Autoren an, dass TeilnehmerInnen aus drei Versuchsgruppen signifikant häufiger angaben, dass ihre Nackenschmerzen viel besser geworden wären oder sogar ganz verschwunden sind (im Vergleich zur Kontrollgruppe): Das war die 30-Minuten-Dreimal-Wöchentlich-, die 60-Minuten-Zweimal-Wöchentlich- und die 60-Minuten-Dreimal-Wöchentlich-Gruppe, wobei die letztere Gruppe deutlich besser abschnitt als alle anderen Gruppen.

Als unerwünschte Wirkungen berichten 10 TeilnehmerInnen (5,2% aller) über 11 leichte und 3 mittelschwere Folgen (Schmerzen, vor allem Wirbelsäulenschmerzen), die „zumindest möglicherweise mit der Massage zusammenhängen“. Die Nebenwirkungen traten bei 4% der 30-minütigen und bei 6% der 60-minütigen Behandlungen auf, sowie 7,9% bei einer, 2,6% bei zwei und 6,7% bei drei Behandlungen pro Woche.

Schlussfolgerungen und Diskussion

Wenngleich die 30-minütigen Massagen (weder zweimal noch dreimal die Woche angewendet) keine signifikanten Verbesserungen gegenüber der Kontrollgruppe aufweisen konnten, zeigte sich doch bei den 60-minütigen Massagen eine klare Wirkungszunahme mit der Anzahl der Behandlungen pro Woche. Besonders deutlich waren die positiven Effekte (auf Mobilität und Schmerz) bei zwei- und dreimaliger Anwendung einer 60-minütigen Massagebehandlung pro Woche.

Generell konnte in dieser Studie die Wirksamkeit von 60-minütigen Massagen gezeigt werden, wobei sich im Vergleich zur Kontrollgruppe die positiven Effekte in der Nackenfunktionalität bei 2 Behandlungen pro Woche um den Faktor 3 erhöhten und bei 3 Behandlungen pro Woche um den Faktor 5.

Veränderungen in der Anwendung von Medikamenten oder Arztbesuche konnten, so haben die Autoren ihre Daten überprüft, die Ergebnisse nicht erklären. Wohl aber zeigten sich einige wenige – im Allgemeinen – milde unerwünschte Ergebnisse (vorübergehende Schmerzzunahmen), woraus abgeleitet werden kann, dass die Methode relativ sicher durchgeführt werden kann, wenn sie von entsprechend ausgebildeten BehandlerInnen ausgeführt wird. Die Ergebnisse zeigen, so die Autoren, insgesamt Ähnlichkeit mit den Ergebnissen von einer früheren Studie zu chronischen Nackenschmerzen[11] und zu Rückenschmerzen[12].

Auf Basis der Ergebnisse nehmen die Autoren an, dass in vielen Studien möglicherweise nicht ausreichende Dosen in der Massageanwendung angewendet wurden. So wurden in einer Cochrane-Review 2012[13] neun Studien zur Massage bei subakuten oder chronischen Nackenschmerzen einbezogen. Unter den sieben Studien mit möglicherweise relevantem Design waren vier Studien, bei denen nur eine einzige Sitzung einer einzigen Massagetechnik (weniger als fünf Minuten lang) angewendet wurde. Eine Studie umfasste nur fünf 30-minütige Massagen über zwei Wochen, eine Studie fünf 45-minütige Behandlungen über ein Monat und die letzte war eine Serie von wöchentlichen 60-minütigen Massagen.

Auch, so die Autoren weiter, fehle es den meisten Studien an Massagen, die der konventionellen Massagepraxis in den USA ähneln. Dort sind 60-minütige Behandlungen die Norm, die von lizenzierten BehandlerInnen durchgeführt werden. Dabei wird eine breite Palette von Massagetechniken innerhalb einer Behandlung angewendet und zugleich Empfehlungen zur Selbstbehandlung (self-care recommendations) gegeben.[14]

Als einschränkende Faktoren ihrer Untersuchung beschreiben die Autoren vor allem die bescheidenen Stichprobengrößen in jeder Gruppe, die Unfähigkeit, unspezifische Aufmerksamkeitseffekte mit Hilfe eines Wartelisten-Kontrolldesigns zu kontrollieren, und die Einbeziehung von Patienten, die primär leichte bis mittelschwere Nackenschmerzen hatten. Auch die eher kurzfristige Nachbeobachtung könnte ihrer Meinung nach als Schwäche der Studie gesehen werden. Das Verbot, Empfehlungen zur Selbstpflege zu geben, könnte eine Einschränkung in dem Sinne darstellen, dass MassagetherapeutInnen normalerweise solche Empfehlungen aussprechen. Das Verbot war aber mit dem Hintergrund gegeben worden, dass die Ergebnisse damit stärker die ausschließlichen Effekte der Massage für sich widerspiegeln.

In unveröffentlichten Daten einer größeren Studie, die die Praxis von 126 MassagetherapeutInnen beschreibt[15], konnten die Autoren feststellen, dass die BehandlerInnen in 87% der 165 Besuche bei chronischen Nackenschmerzen, am häufigsten Körperwahrnehmung (49%), Wärme- und/oder Kältetherapie (43%) und Bewegung (42%) als Selbstbehandlung empfahlen.

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[1] Karen J. Sherman, Andrea J. Cook, Robert D. Wellman, Rene J. Hawkes, Janet R. Kahn, Richard A. Deyo und Daniel C. Cherkin in Annals of Family Medicine, Vol 12, No. 2, March/April 2014, S. 112-120. http://www.annfammed.org/content/12/2/112.full.pdf+html. Zugriff 23.01.2018.

[2] In einer landesweiten Umfrage, so berichten die Autoren in Anlehnung an Eisenberg DM, Kessler RC, Van Rompay MI et al. („Perceptions about complementary therapies relative to conventional therapies among adults who use both: results from a national survey”. Ann Intern Med. 2001;135(5):344–351), haben 61 Prozent der befragten Personen mit Nackenschmerzen, die sowohl CAM-, als auch konventionelle Therapien verwendet haben, CAM-Methoden als hilfreicher für ihre Beschwerden empfunden, nur 6 Prozent konventionelle Behandlungen.

[3] Eine Cochrane-Review 2006 hält dazu fest, dass die meisten Studien so unterschiedliche Arten und Dosen von Massagen verwenden, dass sich keine klaren Aussagen treffen lassen (Haraldsson BG, Gross AR, Myers CD et al.: Cervical Overview Group. Massage for mechanical neck disorders. Cochrane Database Syst Rev.2006;3(3):CD004871).

Patel et al. sahen sich auf Grund der schlechten Qualität der Studien 2012 außerstande, verlässliche Schlussfolgerungen zu ziehen (KC, Gross A, Graham N et al.: Massage for mechanical neck disorders. Cochrane Database Syst Rev. 2012;9:CD004871).

[4] Z.B. Wirbelbruch, metastasierender Krebs,

[5] Z.B. zervikale Radikulopathie, kürzlicher Autounfall.

[6] Weniger als 4 Punkte auf einer Schmerzintensitätsskala von 0 bis 10 und weniger als 5 Punkte auf dem Neck Disability Index von 0 bis 50.

[7] Z.B. Überempfindlichkeit gegen Berührungen.

[8] Sherman KJ, Cherkin DC, Hawkes RJ, Miglioretti DL, Deyo RA: Randomized trial of therapeutic massage for chronic neck pain. Clin J Pain. 2009;25(3):233–238.

[9] Elemente der Behandlung waren: „Range of motion assessment, hands-on check-in, massage applied directly to the neck, addressing compensatory patterns, and integration (reestablishment within a patient of being in a unified body after having received intensive isolated work)”.

[10] Der Forschungsassistent war ebenfalls ein Massagetherapeut.

[11] Sherman KJ, Cherkin DC, Hawkes RJ, Miglioretti DL, Deyo RA: Randomized trial of therapeutic massage for chronic neck pain. Clin J Pain. 2009;25(3):233–238.

[12] Cherkin D, Sherman K, Kahn J et al.: A comparison of the effects of 2 types of massage and usual care on chronic low back pain: a randomized controlled trial.Ann Intern Med. 2011;155(1):1–9.

[13] Patel KC, Gross A, Graham N et al.: Massage for mechanical neck disorders.Cochrane Database Syst Rev. 2012;9:CD004871.

[14] Sherman KJ, Cherkin DC, Kahn J et al.: A survey of training and practice patterns of massage therapists in two US states. BMC Complement Altern Med.2005;5:13.

[15] Ebd.