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Suziki, Mizue et al.: Physical and Psychological Effects of 6-Week Tactile Massage on Elderly Patients With Severe Dementia
In der 2010 veröffentlichten Studie „Physical and Psychological Effects of 6-Week Tactile Massage on Elderly Patients With Severe Dementia“[1] gehen Mizue Suziki et al.[2] der Frage nach, ob Massagebehandlungen positiv auf das körperliche und psychologische Wohlbefinden von älteren Menschen mit Demenz wirken.
Hintergrund
Japans Gesellschaft altert so rasch wie noch nie zuvor. 2009 machte die ältere Bevölkerung 22,8% der japanischen Bevölkerung aus, und es wird erwartet, dass der Anteil älterer Menschen bis 2025 auf 30% und bis 2050 auf 40,5% ansteigen wird.[3] Darüber hinaus erkrankten 2005 in Japan etwa 1,9 Millionen ältere Menschen an Demenz, und die Prognose ist dahingehend, dass diese Zahl bis 2020 auf 3,3 und bis 2050 auf 4,9 Millionen ansteigen wird.
Aktuell steht der Bereich der Versorgung von demenzkranken Menschen in Japan vor der Herausforderung, Kontinuität in ihrem Leben zu gewährleisten, damit sie ihre Würde bewahren können. Die japanische Regierung versucht hier ein gemeinschaftliches Sozialhilfesystem für ältere Menschen mit Demenz und ihre Familien aufzubauen, in dem KrankenpflegerInnen und SozialarbeiterInnen verschiedene Formen der individuellen Betreuung anbieten.
Im Jahr 1996 hat die International Geriatric Psychiatry Society die peripheren Symptome der Demenz als „Verhaltens- und psychologische Symptome der Demenz“ (BPSD) zusammengefasst[4] und dabei in zwei Typen eingeteilt:
- Verhaltenssymptome wie körperliche Aggressivität, Unruhe und Irritation;
- und psychologische Symptome wie Angst, Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
PatientInnen mit BPSD widersetzen sich oft der Pflege und zeigen physische Aggressivität, was die Pflege erschwert, die KrankenpflegerInnen belastet und sich auf die medizinische Versorgung und die Lebensqualität (quality of life, QOL) der PatientInnen auswirkt. PsychiaterInnen verordnen deshalb häufig psychotrope oder antipsychotische Medikamente, die aber oft zu Nebenwirkungen wie Sturzgefahr oder Delirium führen, weshalb es sinnvoll scheint, nicht-pharmakologische Wege zu suchen, um die Symptome von BPSD reduzieren. In der vorliegenden Studie wird deshalb taktile Massage auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Taktile Massage ist, den Autoren folgend[5], eine ergänzende Pflegemethode, die nicht nur in der Palliativ- und Altenpflege, sondern auch in anderen Gesundheitsbereichen erfolgreich eingesetzt wird, um Stress abzubauen. Taylor[6] definiert taktile Massage als eine Serie von langsamen Strokes, vor allem mit der Handinnenfläche und den Fingern, die mit festem Druck durchgeführt werden. Andersson[7] berichtet, dass sich Schmerzen, Schlafstörungen, Bewegungseinschränkungen, Kopfschmerzen und Körperspannung mit Massage verbesserten.[8] Andersson[9] berichtet auch, dass sich Blutzucker- und HbA1c-Werte[10] bei PatientInnen mit Typ-2-Diabetes nach 60 Minuten wöchentlicher Ganzkörpermassage über zehn Wochen verbesserten. Agren[11] berichtet, dass taktile Massage eine gute Alternative und Ergänzung zur traditionellen Therapie bei schwerer Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft ist. Henricson[12] zeigt, dass taktile Massage bei PatientInnen, die auf der Intensivstation eine Herz- oder Darmchirurgie durchgemacht hatten, Angst reduzierte. Taktile Berührung scheint die Aktivität des sympathischen Nervensystems zu verringern.
Snyder[13] zeigt, dass Handmassage und therapeutisches Berühren über zehn Tage die Unruhe bei älteren PatientInnen mit Demenz in einer Alzheimer-Pflegeeinheit nicht signifikant reduzierte. Kim et al. [14] hingegen berichten, dass dysfunktionales Verhalten, das mit BPSD verbunden ist, mit physischer Massage abnahm. Remington[15] berichtet, dass beruhigende Musik und Handmassage es den BewohnerInnn von Pflegeheimen ermöglichte, sich ruhig zu fühlen und störende Reize auszugleichen. Hicks-Moore[16] berichtet, dass das Spielen der Lieblingsmusik einer PatientIn und Handmassage, sowohl allein als auch in Kombination, die Erregung unmittelbar und eine Stunde nach der Intervention signifikant reduzierte. Hall und Buckwalter[17] stellten die Hypothese auf, dass die Unruhe dann zunimmt, wenn eine Person mit Demenz ein hohes Maß an Stress erlebt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es mehrere Berichte über die Auswirkungen von Handmassage und Berührung während der Unruhephasen bei älteren Patienten mit Demenz gibt. Allerdings gibt es keine Berichte über die Langzeitwirkungen bei dieser Art von Intervention.
Behandlungsmethode
Taktile Massage ist eine Weichteilmassage, die sowohl Berührung als auch Massagegriffe beinhaltet und 2006 vom Japan Swedish Care Institute in Japan eingeführt wurde.[18] Sie soll dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern bei älteren Menschen mit schwerer Demenz sowie bei PatientInnen mit Sprachstörungen, die nur schwer in der Lage sind verbal zu kommunizieren.
Die Anwendung beginnt damit, dass die KrankenpflegerIn der PatientIn mitteilt, dass es nun Zeit für ihre Massage sei und sie eine bequeme Körperhaltung einnehmen soll. Dann wickelt sie beide Hände der PatientIn in ein Handtuch, und beginnt – Hand für Hand (bei jeweils entferntem Handtuch) – mit der Behandlung. Dabei trägt sie gleich zu Beginn ein auf Körpertemperatur erwärmtes Olivenöl auf und beginnt (einem festgelegten Protokoll folgend) an den Fingern mit sanften Streichungen (Effleurage), um danach zu Hand und Handgelenk überzugehen.[19]
StudienteilnehmerInnen
In die Studie aufgenommen wurden ältere PatientInnen, bei denen eine Demenz diagnostiziert wurde und die in einer spezialisierten Demenzstation stationär behandelt wurden. Die Diagnose wurde von einer auf geriatrische PatientInnen spezialisierten PsychiaterIn gemäß dem DSM-IV gestellt. Das Durchschnittsalter der Interventionsgruppe betrug 88,71 Jahre, das Durchschnittsalter der Kontrollgruppe 88,00 Jahre.
24 StudienteilnehmerInnen litten an einer Alzheimer-Erkrankung (12 in der Interventions- und 12 in der Kontrollgruppe) und 4 an einer zerebrovaskuläre Demenz (2 in der Interventions- und 2 in der Kontrollgruppe).
Die TeilnehmerInnen wurden einer Interventionsgruppe mit taktiler Massage oder einer Kontrollgruppe mit normaler Pflege ohne taktile Massage zugeteilt: 20 Personen in jeder Gruppe, die in Hinblick auf Geschlecht, Alter, Demenztypus, kognitive Funktionen und der Fähigkeit die täglichen Verrichtungen (activities of daily living, ADLs) vergleichbar waren. Um die Vergleichbarkeit zwischen den Gruppen zu erleichtern, wurde, fiel eine TeilnehmerIn einer Gruppe aus, auch die korrespondierende PatientIn der jeweils anderen Gruppe aus der Untersuchung herausgenommen.[20] Durch Ausfälle verringerte sich die Zahl der TeilnehmerInnen bis zum Ende der Studie auf 14 TeilnehmerInnen, 4 Männer und 10 Frauen.
Die StudienteilnehmerInnen in der Interventionsgruppe sollten fünfmal wöchentlich über sechs Wochen hinweg eine taktile Massagebehandlung erhalten (insgesamt 30 Behandlungen). In der Kontrollgruppe erhielten die PatientInnen keine Massagen, nahmen aber (genauso) an regelmäßigen Akativiäten, wie Musiktherapie oder Ergotherapie, teil. Letztlich aber wurde aus unterschiedlichen Gründen nur bei zwei PatientInnen das geplante Ziel von 30 Behandlungen erreicht. Die durchschnittliche Behandlungszahl beträgt 24,64.
Durchführung
Das Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen einer sechswöchigen taktilen Massage bei älteren PatientInnen mit Demenz auf körperliche und geistige Funktionen, Symptome von BPSD und Stress zu erforschen.[21] Gemessen wurden:
- der Mini Mental State Examination (MMSE), der aus 30 Punkten auf 6 Subskalen (orientation, registration, attention and calculation, recall, language, and visual constriction) besteht. Die Gesamtpunktezahl liegt zwischen 0 und 30, wobei höhere MMSE-Werte einer besseren Funktionsfähigkeit entsprechen[22];
- die Gottfries-Brane-Steen-Skala (GBS), die sich auf qualitative Unterschiede in der Demenz konzentriert und eine 0- bis 6-Punkte-Skala benützt, um motorische Funktion, intellektuelle Funktion, emotionale Funktion und verschiedene Symptome zu bewerten, die bei Demenz häufig auftreten. Höhere Werte bedeuten schlechtere Funktionen[23];
- die Behavior Pathology in Alzheimer’s Disease, Rating Scale (BEHAVE-AD), die die medizinische Wirkung der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Krankheit anhand von paranoider und wahnhafter Vorstellungen, Halluzinationen, Aktivitätsstörungen, Tagesrhythmusstörungen, affektiven Störungen, Ängsten und Phobien sowie einem globalen Wert bewertet. Auch hier bedeuten höhere Werte eine schlechtere Funktionsweise[24]; und
- das Speichelchromogranin A (CgA) als Indikator für Stress. Diese Werte wurden vor und nach den Behandlungen jeweils um 16 und um 17 Uhr bestimmt.[25]
Ergebnisse
- Im MMSE zeigt die Interventionsgruppe eine leichte, nicht signifikante Verbesserung der Werte von 5,29 (Ausgangswert) auf 5,43 (nach der Interventionsphase), wohingegen die Kontrollgruppe einen leichten Rückgang von 6,07 auf 5,57 verzeichnete.
- Im GBS zeigte die Kontrollgruppe eine signifikante Verschlechterung in der Subskala intellektuelle Funktion (von 44,50 auf 46,93) und die Interventionsgruppe im Bereich emotionale Funktion (von 9,79 auf 10,97). Es gab aber keine signifikanten Veränderungen im Gesamtwert.
- Die Interventionsgruppe zeigte signifikante Verbesserungen auf der BEHAVEAD-Skala für Aggressivität (von 2,50 auf 1,21). In der Kontrollgruppe waren keine Veränderungen zu beobachten.
- Der durchschnittliche Wert des Speichel-CgA stieg in der Interventionsgruppe leicht an (von 0,465 ng/mg Protein um 16 Uhr auf 0,497 ng/mg Protein um 17 Uhr). Nach der Intervention gab es eine signifikante Abnahme für alle Teilnehmer von 0,580 ng/mg auf 0,211 ng/mg. Auch für die Kontrollgruppe wurden zeitgleich mit der Interventionsgruppe Messungen um 16 und 17 Uhr durchgeführt und ein leichter Anstieg beobachtet.
Fallberichte
2 TeilnehmerInnen zeigten eine Verbesserung der Verhaltenssymptome und werden in den nachfolgenden Fallberichten dargestellt:
- Teilnehmerin A war eine 84-jährige Frau mit Alzheimer-Erkrankung. In der Basiswerteerhebung zeigte sie 20 Punke im MMSE und als „Verhaltens- und psychologische Symptome der Demenz“ (BPSD) schnelle Verärgerung und die Wahnvorstellung, dass sie bestohlen wird. In Hinblick auf die Verrichtung ihrer alltäglichen Aktivitäten (activities of daily living, ADL) war sie auf teilweise Unterstützung angewiesen und benutzte einen Rollstuhl. Sie zeigte kurzzeitige Gedächtnisstörungen, war aber relativ kompetent in der Kommunikation und nahm an der Ergotherapie teil
Sie genoss die Behandlungen und fuhr in ihrem Rollstuhl bei der BehandlerIn vorbei, um zu fragen, ob sie heute Massage macht. Etwa nach der vierten Interventionswoche sagte sie: „Die Zirkulation in meinen Händen ist besser, und es ist schön, warme Hände zu haben. Ich bin normalerweise immer nachts aufgewacht, aber die letzten Nächte habe ich bis zum Morgen durchgeschlafen, und das liegt an dieser Massage“.
Im MMSE sank der Wert von 20 auf 17. Im GBS erhöhte sich die Motorik von 13 auf 14, die intellektuelle Funktion hingegen sank von 30 auf 28. Nach der zweiten Behandlung war sie deutlich ruhiger und kommunikativer. Ihr GBS-Wert für emotionale Funktion war zu Beginn der Studie 2 und blieb es auch nach den Behandlungen. Auch bei den Symptomen, die mit der Demenz in Verbindung stehen, gab es keine Veränderung (10 vor und nach der Interventionsphase).
Im BEHAVE-AD sank die Punktzahl für paranoide und Wahnvorstellungen von 3 auf 0 (ihre Wahnvorstellungen, dass ihr Sachen gestohlen werden, verschwand gänzlich). Ihre Aktivitätsstörungen reduzierten sich von 7 auf 3 (Abnahme ihrer wandernden und ziellosen Aktivität). Auch ihre Aggressivität (rasche Verärgerung) ging von 2 auf 0 zurück, ebenso ihre Tagesrhythmusstörungen von 1 auf 0 (sie begann die Nacht nach der Behandlung durchzuschlafen), und ihre Ängste und Phobien sanken von 3 auf 0.
- Teilnehmerin B war eine 92-jährige Frau mit Alzheimer-Krankheit. Zu ihren BPSD-Symptomen gehörten Halluzinationen, Selbstgespräche, Essensverweigerung und Widerstand gegen die Pflege. Was die Verrichtung ihrer alltäglichen Aktivitäten (activities of daily living, ADL) betraf, war sie auf Hilfe für Mahlzeiten, Bewegung, Toilettenbesuch und Baden angewiesen. Sie benutzte einen Rollstuhl. Auf einfache Fragen konnte sie in einem gewissen Umfang antworten, sprach aber zugleich oft mit sich selbst. Häufig war es unmöglich, ein Gespräch mit ihr zu führen. Generell tendierten die Symptome dazu, tagsüber relativ mild zu sein. Am Abend hingegen traten deutlich Halluzinationen und Selbstgespräche auf.
Zu Beginn der Massagebehandlung bot sie ihre Hand manchmal freiwillig an. Obwohl sie Halluzinationen hatte, war ihr Gesichtsausdruck entspannt, manchmal lachte sie während der Behandlungen laut auf. Nach der Behandlung wurde beobachtet, dass sie „Du wirst gut darin“ sagte. Auch taktiles Verhalten, wie das Streicheln der Wange der behandelnden Krankpflegerin wurde beoachtet.
Im MMSE sind ihre Werte unverändert bei 0 geblieben. Im GBS verringerte sich der Wert für die motorische Funktion von 33 auf 31, sie begann selbst zu essen und die Häufigkeit der Inkontinenz nahm ab. Der Wert für die intellektuelle Funktion sank von 59 auf 56 und man konnte Gespräche mit ihr führen, während sie Fragen beantwortete. Die Werte für emotionale Funktion (13) und verschiedene Symptome, die bei Demenz auftreten (28), änderten sich nicht.
Im BEHAVE-AD gingen die Werte für paranoide und Wahnvorstellungen von 5 auf 4 zurück, und die Aggression, die sie üblicherweise während der Verweigerung der Pflege an den Tag legte, verschwand. Der Wert für die Tagesrhythmusstörungen sank von 1 auf 0 (sie hörte auf in der Nacht häufig aufzuwachen und konnte tief schlafen). Die Werte für Halluzinationen (3) änderten sich nicht, ebenso nicht die Werte für Aggressivität (3), affektive Störungen (1) sowie Ängste und Phobien (1).
Diskussion
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eine signifikante Abnahme im GBS für die intellektuellen und emotionalen Funktionen in der unbehandelten Gruppe (Kontrollgruppe), veränderten sich jedoch nicht in der Versuchsgruppe (Interventionsgruppe). Diese Werte stabil zu halten ist bedeutsam, da das fortschreitende Alter sogar innerhalb der beobachteten sechs Wochen zu funktionellen Rückgängen führen kann.
Hall und Buckwalter[26] konnten zeigen, dass es für ältere PatientInnen mit schwerer Demenz aufgrund der Beeinträchtigung ihrer kognitiven Funktionen schwerer ist, sensorische Stimulationen zu bewältigen, was zu ängstlichem Verhalten aufgrund einer Absenkung der Stressschwelle führt. In der vorliegenden Studie zeigen sich nach der Studienintervention bei allen vier StudienteilnehmerInnen, von denen alle Proben genommen werden konnten[27], signifikante Veränderungen (Reduktionen) in den Speichel-CgA-Werten, die als Stressindex gesehen werden können. Die Autoren gehen deshalb davon aus, dass die Reduktion des psychischen Stresses mit einer Verbesserung der Verhaltens- und psychologischen Symptome (BPSD) sowie der Aggressivität verbunden ist.
Die intellektuellen und emotionalenen Funktionen verringerten sich in der Kontrollgruppe, deren TeilnehmerInnen keine taktile Massage erhielten, konnten in der Interventionsgruppe jedoch aufrechterhalten werden.
Die Durchführung der taktilen Massage wurde über den relativ langen Zeitraum von sechs Wochen durchgeführt – von der Annahme ausgehend, dass die Behandlungen kaum/keine Auswirkungen auf das tägliche Verhalten und die bestehenden Symptome (BPSD) haben, wenn sich kein gutes Vertrauensverhältnis zwischen der BehandlerIn und der PatientIn mit schwerer Demenz herstellen lässt. Gelingt die Herstellung eines Vertauensverhältnisses nicht, so wurde befürchtet, könnte die Massage als Verletzung des persönlichen Raums erlebt werden und Angst auslösen.
Dass die taktile Massage als nonverbale Kommunikation wirksam ist, könnte dazu beitragen, dass sich das Verständnis zwischen PatientIn und KrankenpflegerIn vertieft und die Pflege erleichtert. Dazu tragen auf PatientInnenseite Verbesserungen in den BPSD-Symptomen ebenso bei wie ein besserer Schlaf und auf PflegerInnenseite möglicherweise ein größeres Verständnis von Demenz und demenzkranken PatientInnen.
Kitwood[28] geht davon aus, dass bei Menschen mit Demenz Liebe als wichtigstes psychologisches Bedürfniss im Mittelpunkt steht und fünf weitere, sich überschneidenden Bedürfnisse, die dazu beitragen, nämlich Zuspruch (Trost), Zuneigung (Verbundenheit), Zugehörigkeit (Einbezogensein), Beschäftigung (Tätigkeit) und Identität.[29]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass taktile Massage das Potenzial zu haben scheint, die Verhaltens- und psychologische Symptomatik (BPSD) bei älteren Patienten mit schwerer Demenz durch die fundamentale Verbindung von warmem Hand-zu-Hand-Kontakt mit KrankenpflegerInnen zu verbessern. Damit könnte es sich bei taktiler Massae um eine Methode der nonverbalen Kommunikation handeln, die angewendet werden kann, um bei älteren Patienten mit schwerer Demenz ein Gefühl von Menschlichkeit (wieder) herzustellen bzw. zu verstärken und (so) die Qualität der Demenzpflege insgesamt zu verbessern.
Einschränkend ist auszuführen, dass die Anzahl der TeilnehmerInnen der vorliegenden Studie gering war und dass der Umstand, dass es sich um ältere PatientInnen mit schwerer Demenz handelte, dazu führt, dass sich einige TeilnehmerInnen wegen Verschlechterung ihrer Symptomatik und anderen Gründen aus der Studie zurückziehen mussten. Auch war es nicht möglich, von einigen TeilnehmerInnen Speichelproben zu sammeln. Es ist deshalb notwendig, weitere Untersuchungen an einer größeren Anzahl von Teilnehmern durchzuführen, um die Auswirkungen von taktiler Massage und der damit verringerten psychischen Belastung auf Aggressivität und andere Symptome im Zusammenhang mit Demenz näher aufzuklären.
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[1] Die Studie wurde im American Journal of Alzheimer’s Disease and other Dementias (AJADD) Vol 25, Issue 8, 2010, S. 680-686, veröffentlicht; DOI: 10.1177/1533317510386215, http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/1533317510386215 (Zugriff 23.02.2018).
[2] Mizue Suzuki, Asami Tatsumi, Toshiko Otsuka, Keiko Kikuchi, Akiko Mizuta, Kimiko Makino, Akie Kimoto, Kiyoe Fujiwara, Toshihiko Abe, Toshihiro Nakagomi, Tatsuya Hayashi und Takayuki Saruhara.
[3] Japanese cabinet. 2007 Elderly White Book. Tokyo, Japan: Gyosei; 2006.
[4] International Psychogeriatric Association. The BPSD Educational Pack; 1998.
[5] Die (schwedische) taktile Massage wurde, so die Autoren (Bezug nehmend auf: Andersson K, Törnkvist L, Wändell P.: Tactile massage within the primary health care setting. Complement Ther Clin Pract. 2009;15(3):158-160. DOI: 10.1016/j.ctcp.2008.10.007; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19595417, Zugriff 23.02.2018), von einer schwedischen Krankenschwester namens Ardeby entwickelt.
[6] Taylor A. The Principle and Practice of Physical Therapy. 3rd ed. Cheltenham, London: Stanley Thamas; 1991.
[7] Andersson K, Törnkvist L, Wändell P. Tactile massage within the primary health care setting. Complement Ther Clin Pract.
2009;15(3):158-160.
[8] Die StudienteilnehmerInnen waren mindestens 18 Jahre alt, lebten zu Hause und litten an Schmerzen, Schlafstörungen, Bewegungsunfähigkeit, Kopfschmerzen und/oder Körperspannung. Die Verbesserungen zeigten sich in Hinblick auf Vitalität, den Mood of Health Index, den Schmerzindex auf der Borg-Skala und das Kohärenzgefühl.
[9] Andersson K, Wändell P, Törnkvist L. Tactile massage improves glycaemic control in women with type 2 diabetes apilot study. Pract Diab Int. 2004;21(3):105-109.
[10] Der HbA1c-Wert gibt Aufschluss, wie hoch der durchschnittliche Blutzuckerwert der vergangenen Wochen war. Er gilt als Blutzuckergedächtnis und ist in der Diabetesbehandlung ein wichtiger Messwert zur Kontrolle.
[11] Agren A, Berg M. Tactile massage and severe nausea and vomiting during pregnancy-women’s experiences. Scand J Caring Sci. 2006;20(2):169-176.
[12] Henricson M, Erssonc A, Ma¨tta¨ S, Segestena K, Berglundb A. The outcome of tactile massage on stress parameters in intensive care. A randomized controlled trial. Complement Ther Clin Pract. 2008;14(4):244-254.
[13] Snyder M, Egan EC, Burns KR. Interventions for decreasing agitation behaviors in persons with dementia. J Gerontol Nurs.
1995;21(7):34-40.
[14] Kim EJ, Buschmann MT. The effect of expressive physical touch on patients with dementia. Int J Nurs Stud. 1999;36(3):235-243.
[15] Remington R. Calming music and hand massage with agitated elderly. Nurs Res. 2002;51(5):317-323.
[16] Hicks-Moore SL. Favorite music and hand massage, dementa. Dementia. 2008;7(1):95-108.
[17] Hall G, Buckwalter KC. Progressively lowered stress threshould. A conceptual model for care of adults with Alzheimer’s disease. Arch Psychiatr Nurs. 1987;1(6):399-406.
[18] Taktile Massage ist eine Behandlungstechnik des Japan Sweden Care Institute’s Tactile Care Course I. Das Japan Care Institute registrierte die Technik der taktilen Massage allerdings als „Tactile Care“, um einen geschützten Markennamen zu erhalten.
[19] Durchgeführt wurden die Massagen abseits von anderen Patienten, in einem ruhigen Raum oder in einem privaten Raum auf einer anderen Station, jeweils in der Zeit zwischen 16 und 17 Uhr.
[20] Gründe für das Ausfallen wurden z.B. ein Krankenhauswechsel, die Entlassung, ein schlechter Geundheitszustand oder einfach nur der Umstand, dass die PatientIn nicht mehr teilnehmen wollte.
[21] Die Studie wurde zwischen dem 28. September und dem 6. November 2009 durchgeführt.
[22] Die MMSE-Interviews wurden von einem Ergotherapeuten durchgeführt, der Erfahrung mit der psychologischen Bewertung von älteren Menschen mit schwerer Demenz hat.
[23] KrankenpflegerInnen, die für die TeilnehmerInnen der Interventions- und Kontrollgruppen verantwortlich waren, führten die Evaluationen durch.
[24] KrankenpflegerInnen, die für die Teilnehmer der Interventions- und Kontrollgruppen verantwortlich waren, führten die Bewertungen durch.
[25] Chromogranin A (CgA) hat unter anderem Auswirkungen auf die Funktion von Pankreas (Bauchspeicheldrüse), Nebenschilddrüsen, Immunsystem und Herzkreislaufsystem. Zudem wird CgA als Stressmarker eingesetzt, siehe z.B. Kanamaru Y, Kikukawa A und Shimamura K: Salivary chromogranin-A as a marker of psychological stress during a cognitive test battery in humans. Stress. 2006 Sep;9(3):127-31. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17060047 (Zugriff 23.02.2018).
Um zirkadiane Schwankungen zu vermeiden, wurden die Messungen des Speichels CgA sowohl von der taktilen Massagetherapie als auch von der Kontrollgruppe zu festen Zeiten durchgeführt.
[26] Hall G, Buckwalter KC. Progressively lowered stress threshould. A conceptual model for care of adults with Alzheimer’s disease. Arch Psychiatr Nurs. 1987;1(6):399-406.
[27] Es erwies sich als schwierig, von den älteren PatientInnen mit schwerer Demenz alle notwendigen Speichelproben zu erhalten.
[28] Kitwood T. Dementia Reconsidered: The Person Comes First. Berkshire, UK: Open University Press; 1997.
[29] Comfort, attachment, inclusion, occupation, and identity.